350 Angeklagte, 400 Anwälte, 900 Zeugen: In Italien beginnt der größte Mafia-Prozess seit 30 Jahren. Vor Gericht stehen Mitglieder der kalabrischen 'Ndrangheta, die auch in Deutschland aktiv ist.
Unter den mehr als 350 Angeklagten sind Politiker, Anwälte, Geschäftsleute. Sie sind Mitglieder oder Komplizen der 'Ndrangheta, der wohl mächtigsten Mafia-Organisation der Welt. Die Angeklagten werden von 400 Anwälten vertreten, 900 Zeugen sollen im Laufe des Verfahrens aussagen. Das dauert – mindestens zwei Jahre, schätzen Experten.
Neues Gerichtsgebäude mit hohen Sicherheitsvorkehrungen
Für den Prozess wurde ein ehemaliges Callcenter in der süditalienischen Kleinstadt Lamezia Terme umgebaut. Es ähnelt einem Bunker. "Es ist alles bestens geschützt, dass niemand hineinkann", berichtet Jörg Seisselberg, unser Korrespondent in Italien. Der Gerichtssaal sei durch Sicherheitsschleusen und Videokameras geschützt.
"Gelingt der Schlag, ist das ein wichtiges Signal. Denn die 'Ndrangheta gilt bisher als sehr geschlossen."
Für Italien ist der Prozess der zweite große Schritt im Kampf gegen die Mafia – nach dem "Maxi-Prozess" gegen die Cosa Nostra in den 1980er-Jahren. Allerdings dürfte der Prozess gegen die 'Ndrangheta nicht ganz einfach werden, erklärt Jörg Seisselberg: "Das Schweigegelübde wird so diszipliniert beachtet wie in keiner anderen Mafia-Organisation."
"Die 'Ndrangheta ist der führende Importeur von Kokain nach Europa."
Die 'Ndrangheta gilt mittlerweile als mächtigste Mafia-Organisation. Experten schätzen den jährlichen Umsatz auf zwischen 50 und 100 Milliarden Euro. Die Mafiosi verdienen ihr Geld vor allem mit internationalem Drogenhandel. Aber auch Waffenhandel, Geldwäsche und Korruption gehören zu den Einnahmequellen.
"Deutschland ist ein Rückzugsort, wenn es in Italien zu heiß wird."
Die Organisation ist auch in Deutschland präsent. Für die Duisburger Mafia-Morde 2007, einem Sechsfachmord vor einem italienischen Restaurant, ist die 'Ndrangheta verantwortlich. Die Organisation nutzt Geschäfte, Gastronomie- und Dienstleistungsbetriebe in Deutschland zum Geldwaschen. Außerdem nutzen die Mafiosi Deutschland als Rückzugsort, wenn es für sie zu heiß in Italien wird. "Einige, die jetzt vor Gericht stehen, wurden in Deutschland festgenommen", berichtet Jörg Seisselberg.