Jungs werden zu mutigen und Mädchen zu perfekten Menschen erzogen. Deswegen trauen sich Frauen später weniger zu, sagt die US-Autorin Reshma Saujani. Unsere Reporterin hat sich ihre Thesen angesehen.
In der krampfhaften Erziehung und Sozialisation von Mädchen zum Perfektionismus, sieht die US-Autorin und Aktivistin Reshma Saujani ein ganz grundlegendes gesellschaftliches Problem. Für Jungs hingegen gelte bei der Erziehung Mut als Ideal: "We are raising our girls to be perfect and we are raising our boys to be brave."
Um das erste Mal etwas Mutiges zu tun, habe sie selbst erst 33 Jahren alt werden müssen. Reshma Saujani stellte sich als demokratische Kandidatin für den US-Kongress zur Wahl. Sie scheiterte gegen eine andere, sehr erfahrene demokratische Politikerin.
Perfektionismus als Last
Vorher, sagt Reshma Saujani, habe sie in ihrem Leben immer nur gemacht, was ihr sicheren und perfekten Erfolg versprach. Ihr Buch "Mutig, nicht perfekt" ist gerade in deutscher Übersetzung erschienen. Unsere Reporterin Verena von Keitz hat es gelesen und sagt, dass sie viel von sich darin wiedergefunden habe.
Beispielsweise, dass Mädchen und Frauen E-Mails und andere Nachrichten mehrfach gegenlesen und auf Rechtschreibfehler prüfen. Verena sagt, wenn sie irgendetwas zum ersten Mal macht und es nicht sofort perfekt kann, lasse sie es schnell wieder.
Risiken als Jungsding
Für Reshma Saujani steht hinter diesem Verhalten bei vielen Mädchen die Sozialisation. Sie hat ihre Thesen in einem zehnminütigen Talk vorgestellt, der eine große Zahl von Reaktionen hervorgerufen hat. Frauen und Mädchen hätten Reshma Saujani bestätigt, dass sie nichts wagen, das vielleicht schief gehen könnte.
Reshma Saujani sieht die Ursache dafür in der Erziehung und Sozialisation. In den westlichen Gesellschaften würden Mädchen dazu erzogen, Risiken zu vermeiden, während Jungs dazu angehalten würden, bis zur Spitze vom Klettergerüst zu klettern und dann zu springen.
In ihren eigenen Worten: "Most girls are taught to avoid risk and failure. They are taught to smile pretty, play it safe. Boys on the other hand are taught to play rough, swing high crawl to the top of the Monkey bars and jump of – head first. And by the time they are adults and whether they are negotiating a raise or even asking someone out for a date – they habituated to take risk after risk."
Durch diese frühen Erfahrungen, dass du auch auf die Nase fallen kannst und dass das in Ordnung ist, hätten Männer den Vorteil, dass viel routinierter Risiken eingehen und letztendlich auch mehr Erfolg haben.
Für Reshma Saujani zeigt sich das gerade in der Arbeitswelt: bei Unternehmensgründungen, Bewerbungsverfahren. Eine Studie bestätigt ihre These, dass Männer tendenziell deutlich mehr Selbstvertrauen haben als Frauen. Reshma Saujani: "An HP-Report found, that men would apply, if they meet 60 percent of the Qualifications. But Women? Women will apply only, if the will meet a 100 percent. Of the qualifications. A 100 percent!"
Jungen suchen die Herausforderung
Auch im Alltag würden Mädchen schneller aufgeben, wenn sie eine Aufgabe nicht sofort super erledigen, während Jungen das eher als Herausforderung sehen. Reshma Saujani schreibt, das habe sie auch im Umgang mit vielen Mädchen gelernt, die sie durch ihre Organisation Girls who code kennenlernt hat. Diese unterstützt Mädchen und junge Frauen, Programmieren zu lernen.
Indem sie drüber spricht, möchte Reshma Saujani möglichst vielen die Augen öffnen. Die Kulturwissenschaftlerin und Autorin Mithu Sanyal, die sich intensiv mit Gender-Themen befasst, sieht in dem Buch ein nützliches Tool.
"Gibt es eine Gesellschaft, die mir von Anfang an sagt: oh, sei vorsichtig? Es wird bei Mädchen tatsächlich belohnt. Es sind bestimmte gesellschaftliche Disfunktionen, die belohnt werden."
Verena von Keitz findet, dass sich aus dem Buch Mitnehmen lässt, dass Perfektionismus und Mut viel mit Training und Verstärkung in der Kindheit zu tun haben. Ihr ist allerdings streckenweise die etwas pauschale Gegenüberstellung von Frauen und Männern in Reshma Saujanis Buch eher unangenehm aufgefallen und die etwas überzogene positive Bewertung von Risikobereitschaft. Eine Kritik, die Mithu Sanyal teilt. Sie kritisiert, dass Perfektionismus nicht nur – wie im Buch dargestellt – ein Problem von Frauen ist, sondern auch von anderen Gruppen.
"Mein Hauptproblem mit ihr ist, dass andere Aspekte, wie class und race rausfallen: Dieses Gefühl 100-prozentig perfekt sein zu müssen, haben Menschen mit Migrationshintergrund ganz besonders stark."
Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de