Psychische Phänomene und psychosomatische Beschwerden lassen sich in der Diagnostik nicht gut auseinanderhalten. Psychologe Bastian Willenborg erklärt das Spezialproblem Post- und Long-Covid und hat Tipps für Erkrankte und Behandelnde.

Krank sein und nicht ernstgenommen werden: Menschen, die unter Long- oder Post-Covid leiden, haben häufig mit beidem zu tun. Die Erkrankung kann außerdem psychische Beschwerden hervorrufen oder bereits vorliegende Probleme verstärken – Stichwort mangelnde Zuversicht und Selbstwirksamkeit. Und nicht zuletzt sind psychische Probleme genauso wie Covid-Folgen nach außen nicht unmittelbar ersichtlich, anders als körperliche Gebrechen wie etwa ein verletztes Knie.

"Weil wir Post-Covid, Long-Covid oder Depressionen von außen nicht sehen können, denkt man: Sieht doch gut aus!"
Bastian Willenborg, Facharzt für Psychotherapie, Psychiatrie und psychosomatische Medizin

Ja, die körperliche Verlangsamung in Folge einer Covid-Erkrankung kann durchaus auf psychischer Ebene eine Anpassungsstörung hervorrufen, sagt Bastian Willenborg. Er ist Facharzt für Psychotherapie, Psychiatrie und psychosomatische Medizin und betont, dass die Differenzialdiagnostik bei solchen Erkrankungen ausgesprochen schwierig ist.

"Wenn es psychische Veränderungen nach einem verändernden Ereignis gibt, nennen wir das Anpassungsstörung."
Bastian Willenborg, Facharzt für Psychotherapie, Psychiatrie und psychosomatische Medizin

Psychosomatische Beschwerden können beispielsweise Schmerzen oder eine Kraftminderung sein. Beide Phänomene, sowohl die Schmerzen als auch die Kraftminderung sind auch Symptome von diesem Post-Covid. Das aufzudröseln, ist wirklich nicht ganz einfach, erklärt der Mediziner.

Warten lohnt sich

Er versteht Psycho-Edukation als eine medizinische Aufgabe – insbesondere bei Long- und Post-Covid-Patient*innen. Gängige Theorien, Einschränkungen und Behandlungsoptionen müssten eben recht detailliert erklärt werden, findet er. Gerade deswegen empfiehlt er, Wartezeiten für Termine bei spezialisierten Ärztinnen und Ärzten in Kauf zu nehmen. Häufig seien diese an den Universitätskliniken angegliedert – der Charité in Berlin beispielsweise.

"Auf jeden Fall weitersuchen, auf den Wartelisten für diese Spezialsprechstunden bleiben. Wenn man mal draufsteht, dranbleiben."
Bastian Willenborg, Facharzt für Psychotherapie, Psychiatrie und psychosomatische Medizin

Auch Selbsthilfegruppen und Selbsthilfeforen können eine gute Anlaufstelle sein, findet Bastian Willenborg. Er weist auf die Nationale Kontakt- und Informationsstelle für Selbsthilfe hin, kurz Nakos.

Rückmeldung in der Praxis

Dort lassen sich regionale Angebote vor Ort zu verschiedenen Anliegen recherchieren. Grundsätzlich helfe es, die eigenen Erwartungen anzupassen, ist Bastian Willenborg überzeugt.

Ganz ab von individuellen Diagnoseproblemen und selbstorganisierter Hilfe: Wer sich beim Arzt nicht ernstgenommen fühlt, solle versuchen das rückzumelden. "Es ist unsere ärztliche Aufgabe, zu entlasten", findet Bastian Willenborg. Dazu gehöre auch, Schwierigkeiten bei der Diagnose zu erkennen und offen gegenüber Erkrankten anzusprechen.

Shownotes
Psychische Gesundheit
Long- und Post-Covid: eine Aufgabe für Spezialisten
vom 16. März 2025
Moderation: 
Rahel Klein
Gesprächspartner: 
Bastian Willenborg, Facharzt für Psychotherapie, Psychiatrie und psychosomatische Medizin