Tony lebt in London, ist schwul und veranstaltet in seiner Wohnung Chemsex-Parties. Er trifft sich mit zahllosen Männern, nimmt Drogen, hat Sex - und ist am Ende doch vor allem eins: einsam.
London hat die größte Schwulenszene Europas. Aber die Szene ist längst nicht mehr nur in Clubs unterwegs. Sie hat sich in Privatwohnungen verlagert. Dort verabreden sich Männer jeden Alters und aller Schichten zu Sex. Dabei setzen sie vor allem auf Grindr - die Tindr-Version für die schwule Community.
Diese Dates zu schnellem Sex unter Drogeneinfluss sind seit einiger Zeit unter dem Begriff "Chemsex-Party" in den Schlagzeilen. Die Szene umfasst etwa tausend schwule Männer in London. Die beliebtesten Drogen der Szene: Crystal Meth, Liquid Ecstasy - auch "G" genannt - oder Mephedron.
"In London fühlen wir uns alle manchmal einsam. London kann sehr einsam sein. Gerade in der schwulen Community."
Drogen-Liebe, die einsam macht
Wer sind die Menschen, die sich per App zum schnellen Sex auf Drogen verabreden? Autor Johannes Nichelmann war für DRadio Wissen in London und hat sich dort mit Tony getroffen. Tony gibt an, 43 Jahre alt zu sein. Seit 10 Jahren ist Tony HIV-positiv. Nach einer langen Beziehung ist er zurück in der Schwulenszene. Aber Bars wie in seiner Jugend, hat er kaum noch gefunden.
Ein Date erzählt ihm dann von der App Grindr. Tony installiert die App und ist nur wenig später mittendrin in der Chemsex-Szene. Zu Beginn nimmt er Mephedron und "G". Tony ist sich darüber bewusst, dass das hartes Zeug ist. Aber er glaubt, das unter Kontrolle zu haben. Irgendwann beginnt er auch Crystal Meth zu nehmen. Damit kann er tagelang wach sein - und Sex haben.
"All die Liebe ist in den Drogen. Deswegen nenne ich es die 'Drogen-Liebe'. "
Die Drogen sind Teil des Spiels. Sie machen selbstbewusster, offener - etwas, das er braucht. Schließlich kennt er die Männer nicht, mit denen er sich trifft - und das Ziel ist klar: sie wollen möglichst schnell zur Sache und auf ihre Kosten kommen. Was Tony eigentlich sucht, findet er bei Grindr allerdings nicht. Denn bei aller Körperlichkeit bleibt vor allem eins - die Einsamkeit. Denn echte, tiefe Liebe gibt's eben nicht per App.
Hintergrundinfos zu Chemsex:
- Chemsex - Warum in London HIV-Infektionen zunehmen | Deutschlandradio Kultur vom 17.02.2016
- Addicted to Chemsex: "It's a horror story" | The Guardian vom 22.11.2015
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