Milas Reise beginnt im Oktober 2021. Diese Reise führt sie sehr weit weg von dem, was heute als absolut unverzichtbar gilt: vom digitalen Leben. Davon erzählt der Debütroman "Zeiten der Langeweile" von Jenifer Becker, der sich in Berlin zuträgt.
Corona ist noch nicht überstanden, ständig steckt sich irgendjemand irgendwo an. Mila, die Hauptfigur des Romans, trägt eine Maske. Und die meisten ihrer Lehrveranstaltungen, Kolloquien und Seminare finden sowieso nach wie vor online statt.
Inzwischen schaltet sie ihre Kamera gar nicht mehr ein und behauptet einfach, sie wäre kaputt. Nebenbei putzt sie ihre Wohnung, streamt einen Film oder tut schlichtweg nichts. Sie ist genervt von der Situation.
"Jenifer Becker spielt durch, was sich wohl viele schon einmal vorgenommen haben: Weniger online zu sein oder besser noch, komplett offline zu gehen."
Digital Detox, also zwischendurch mal für zwei bis drei Tage in den Flugmodus gehen. Oder auch während eines Urlaubs – einfach mal nichts fotografieren oder für irgendwelche Stories filmen. Am meisten stresst Mila nach den ersten fünf Tagen ohne Smartphone jedoch, dass sie nicht weiß, was sie mit ihren Schnappschüssen machen soll.
Fomo versus Digital Detox
Vor fünf Tagen hat Mila nun damit begonnen, sich aus dem Internet zu löschen. Zuerst widmet sie sich ihren Social Media-Accounts: Tiktok, Facebook, Instagram. Das Facebook-Profil hatte sie von allen am längsten – seit 2007, also schon 14 Jahre lang. Inzwischen benutzte sie es schon gar nicht mehr.
"Was niemand ahnt: Milas Ausstieg aus Instagram & Co. ist erst der Anfang…"
Wem zeigt sie jetzt, was sie isst oder trinkt. Wohin mit den rosa Himmeln, mit den perfekt sitzenden Haaren oder mit den Fotos von Dingen mit Gesicht?
Der soziale Druck fällt weg
Anderseits fühlt sich vieles offline nicht mehr so schlimm an: Dass ihre Akne stärker wird und dass sie mit ihrem Job unglücklich und bald wohl arbeitslos ist.
Oder dass sie nicht weiß, ob sie Kinder haben will und, wenn ja, mit wem und mit welchem Geld. Und endlich werden ihr keine Bilder ihres Ex-Freunds oder auch Memes über ihn in den Stream gespült.
Kontrolle über das "virtuelle Ich" zurückgewinnen
Mila wechselt den E-Mail-Anbieter, bezahlt nun für Datensicherheit. Danach widmet sie sich den Google-Einträgen, die mit ihrem Namen verknüpft sind. Sie schreibt alle Admins an, auf deren Seiten sie irgendwie mit einem Bild und ihrem Namen auftaucht.
Und sie kauft sich ein Dumb-Phone, dass nichts kann, außer SMS zu versenden. Ihre Freunde reagieren zuerst mit Bewunderung, dann mit Skepsis. Mila wirkt getrieben, ängstlich. Aber wovor genau hat sie Angst?
Das Buch:
"Zeiten der Langeweile" (Romandebüt) von Jenifer Becker, Hanser Berlin, 240 Seiten, gebundene Ausgabe (Hardcover): 23 Euro, eBook: 16,99 Euro, ein Hörbuch gibt es auch, gelesen von Viola Müller, Spielzeit ca. 6,5 Stunden; Erscheinungstermin: 21.08.2023