Elf Geschichten über Frauen, Mädchen und Rassismus: Dantiel W. Moniz entwickelt in "Milch Blut Hitze. Storys" ein spannungsreiches Bild weiblicher Gemeinschaft.
Trinity ist erst dreiundzwanzig, aber Stress könnte ihr zweiter Vorname sein. Und das nicht wegen ihres Jobs. Der ist zwar anstrengend, aber für sie perfekt.
In der Bar, hinter dem Tresen, da weiß sie, was sie tut. Sie weiß, wie sie mit ihren Stammkunden umgehen muss, damit die noch eine Weile bleiben, noch einen weiteren Drink bestellen, sie ein bisschen anhimmeln und ihr am Ende ein gutes Trinkgeld geben. Hier hat sie keine Angst vor der Zukunft, vorm Älterwerden. Hier gibt es die Sprachlosigkeit zwischen ihr und ihrem Mann Derrick nicht. Die Selbstzweifel. Die Leere.
Aus dem Leben einer Barkeeperin
Die Bar läuft gut. Die für Florida ungewöhnlich frostigen Temperaturen draußen halten die Menschen länger drinnen. Und dann passiert was, was eigentlich nur in Filmen passiert: Die Tür knallt auf, ein kalter Wind weht herein, alle Blicke richten sich auf die Frau in der Tür: groß, blond, blauäugig, nicht weiß. Sie bestellt einen Scotch und grinst Trinity dabei breit und selbstbewusst an. Snow, sei ihr Name.
"Ein Duft von Blüten umgibt die Unbekannte. Dann stellt sie sich ihr vor."
Die Begegnung berührt Trinity. Genau genommen sind es nur zwei Sätze von Snow, die alles verändern. Der erste Satz, eine knappe Frage, bringt den Stress ans Licht, mit dem Trinity seit Wochen kämpft. Und der zweite Satz lässt sie plötzlich ganz ruhig werden, als würde sich etwas Schützendes sanft über ihr ausbreiten.
"Schnee" heißt die Geschichte über Trinitiy und ihre Sorgen und Zweifel – und es ist eine von insgesamt elf im Erzählband "Milch Blut Hitze" der US-Amerikanerin Dantiel W. Moniz. Es sind Geschichten über Frauen und Mädchen. Über Weiblichkeit, die von den Figuren ganz unterschiedlich beschrieben und erlebt wird.
Die Figuren kennen sich nicht, sind aber dennoch miteinander verbunden. Sei es durch die Faszination für Lebewesen im Wasser, oder durch das Blut, das den weiblichen Körper verlässt, während er menstruiert, ein Kind verliert oder mutwillig verletzt wird, oder durch die Erfahrungen, die Frauen und Mädchen machen.
Eine unwahrscheinliche Freundschaft
Da sind zum Beispiel in der titelgebenden Geschichte "Milch Blut Hitze" die besten Freundinnen Kiera und Ava. Die eine ist weiß, die andere schwarz. Die eine ist reich, die andere arm. Die eine genießt jede erdenkliche Freiheit, die andere muss sich an tausend Regeln halten. Ihre Mütter begegnen sich mit gespielter Höflichkeit. Die Freundschaft der Mädchen wird von ihnen nur geduldet.
Die Mädchen ritzen sich in die Handflächen, lassen ihr Blut in eine Schüssel Milch tropfen, um dann abwechselnd davon zu trinken. Sie stampfen wie wild durch den Gartenteich hinter Kieras Haus und brüllen. Und sie stellen sich vor, wie es wäre, auf die eine oder andere Weise zu sterben.
Es ist ein Frage-und-Antwort-Spiel, von dem sie beide nicht genug kriegen können. Bis zu der Pool-Party einer Mitschülerin, die beide nicht mögen. Die eine fragt die andere: "Was wäre, wenn man vom Dach fällt?" – und springt.
Die Autorin
Dantiel W. Moniz, geboren 1989 in Jacksonville, Florida, arbeitet als Assistant Professor für Englisch an der University of Wisconsin-Madison. "Milch Blut Hitze. Storys" ist ihre erste Veröffentlichung.
Das Buch
"Milch Blut Hitze. Storys" von Dantiel W. Moniz, aus dem Englischen von Claudia Arlinghaus und Anke Caroline Burger, C.H.Beck, 226 Seiten, Hardcover: 23,- Euro, eBook: 17,99 Euro.
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