In Ayelet Gundar-Goshens Roman "Lügnerin" rutscht der jungen Nuphar eine Lüge heraus, die unaufhaltsam wächst, bis eine Rückkehr zur Wahrheit unmöglich scheint.
Nuphar stößt einen gellenden Schrei aus. Sie merkt gar nicht, wie laut und alarmierend er klingt. Eigentlich schreit die Siebzehnjährige vor Wut. Wut auf den Mann, der sie gerade so sehr beleidigt hat und der ihr von der Eisdiele nun in den Hinterhof folgt.
Aus Missverständnis wird Lüge
Vielleicht schreit sie auch aus Wut über sich selbst, weil sie eine Außenseiterin ist, sich unscheinbar fühlt und vom Pech verfolgt. Als sie von Herbeieilenden gefragt wird, ob der Mann sich an ihr vergriffen habe, sagt Nuphar leise "Ja". Und so ist ihre Lüge geboren.
"Mit jedem Schluchzen sind sich alle Anwesenden sicher, zu wissen, was hier geschehen ist. Es ist doch offensichtlich: Er hat sie angefasst. Nuphar weiß es besser."
Dem angeblichen Täter bringt die Lüge ein Gerichtsverfahren, Nuphar die Aufmerksamkeit, die ihr bislang verwehrt war. Die Lüge wächst und wächst. Und vielleicht könnte Nuphar damit leben, wenn da nicht ihr Gewissen wäre. Und Zeugen. Die wollen etwas für ihr Schweigen haben.
Ayelet Gundar-Goshen ist 1982 geboren und lebt und arbeitet als Autorin und Psychologin in Tel Aviv, wo auch Nuphars Geschichte spielt. "Die Lügnerin" ist ihr dritter Roman.
Das Buch:
"Lügnerin“ von Ayelet Gundar-Goshen, aus dem Hebräischen ins Deutsche übersetzt von Helene Seidler, erschienen im Verlag Kein & Aber, 336 Seiten.