"Internat" heißt der Roman des ukrainischen Schriftstellers Serhij Zhadan. Darin begleitet der Autor einen jungen Lehrer namens Pawlo Iwanowytsch bei dem Versuch, seinen 13 Jahre alten Neffen Sascha aus einem Internat in einer belagerten und schwer beschossenen namenlosen Stadt zu sich nach Hause zu holen.
"Wie man’s nimmt", sagt Vera, als Pascha fragt, ob es noch weit sei bis zum Haus des Arztes. Er ist nur ein Arzt für Tiere, aber immerhin ein Arzt. Vielleicht hat er noch ein paar Schmerzmittel irgendwo. Wenn das Haus noch steht. Wenn der Tierarzt noch da ist.
Pascha gefällt der Umweg nicht, den sie gehen, denn jeder Umweg verringert die Chance, dass er wieder heil aus der Sache herauskommt. Und dass er seinen Neffen findet. Also: mit dem nackten Leben aus der umlagerten Stadt.
Der Junge hockt hoffentlich wohlbehalten in einem Keller der Schule. Dort will Pascha hin. Aber vorher muss er dem alten Mann helfen. Der hustet schlimm, kann nicht mehr selbstständig gehen, muss von Pascha getragen werden. Er hat sich den Alten auf den Rücken geworfen wie einen Umhang. Das Mädchen, das den alten Mann begleitet, vielleicht seine Enkelin, ist völlig aufgelöst. Vera hingegen ist ganz ruhig.
Durch eine Stadt ohne Namen - immer begleitet von Angst
Pascha geht voran. Sie gehen von Hof zu Hof, zwischen den Häusern entlang, drücken sich an die Hauswände, keine Menschenseele weit und breit. Nebel umhüllt sie immer mehr. Ab und zu flackert rötliches Licht am Horizont auf, weil wieder etwas brennt.
Die vier erreichen das Haus, in dem der Tierarzt wohnt, im zweiten, vielleicht im dritten Stock, Vera weiß es nicht mehr. Alles ist dunkel, natürlich brennt kein Licht. Pascha legt den Alten vor dem Haus ab und betritt das Treppenhaus. "Wer sind sie", fragt plötzlich eine Stimme aus der Dunkelheit.
"Der Roman erzählt von einem sinnlosen Krieg zwischen russischen, pro-russischen und ukrainischen Soldaten, von denen nicht alle wissen, wofür oder gegen wen sie eigentlich kämpfen."
Wenn Pascha auf Soldaten trifft, schindet es manchmal Eindruck, wenn er seinen Ausweis zeigt und sagt, dass er Lehrer ist. Bei manchen erwähnt er das besser nicht. Pascha hat Ukrainisch unterrichtet, nicht besonders ehrgeizig, aber überzeugt von der Wichtigkeit seines Fachs. Aber was zählt das jetzt noch?
Vera interessiert, was Pascha denkt. Sie ist eine von vielen Begegnungen, die Pascha unterwegs zum Internat macht. Unter dem dicken Pelzmantel, der gar nicht ihr gehört, trägt sie nur Unterwäsche, weil sie die Schüsse mitten bei der Arbeit überrascht haben, in einem "Massagesalon", wie sie augenzwinkernd erklärt. Pascha versteht nichts. Er denkt an seine Aufgabe, eine wirklich wichtige Aufgabe. Er muss den Jungen finden. Und dann muss er nach Hause.
Schafft es Pascha zum Internat? Findet er dort seinen Neffen? Und wenn ja, schaffen es beide heil aus der Stadt? So viel sei verraten: Für ein paar sehr wichtige Figuren aus dem Buch geht es gut aus.
Das Buch:
"Internat" von Serhij Zhadan, aus dem Ukrainischen von Juri Durkot und Sabine Stöhr, Suhrkamp, 300 Seiten, gebundene Ausgabe (Hardcover): 22 Euro, E-Book: 18,99 Euro; ET: 11.03.2018