Wer sich fragt, warum alle Angeber scheinbar so beliebt und erfolgreich sind, wie sie immer behaupten: Sie sind es nicht! "Ich und Kaminski" von Daniel Kehlmann handelt von einem feigen Vogel ohne Profil und eigener Meinung auf der einen und einem alten, ignoranten Maler auf der anderen Seite. Das perfekte Buch für den Moment, den du unfreiwillig mit einem Idioten verbringst.
Schweißgebadet und zwei Tage zu früh steht Zöllner endlich vor der Tür zu seinem Glück. Nur noch ein paar Gespräche mit ihm und Ruhm und Reichtum sind ihm so sicher wie das Husten in der Kirche.
Sebastian Zöllner schreibt nämlich ein bedeutsames Buch, eine Biografie - und zwar von keinem geringeren als die von dem großen, talentierten, von Matisse und Picasso beglückwünschten Maler Manuel Kaminski. Doch der ist ziemlich alt und leider auch ziemlich unberühmt. Aber bald wird er sterben, so Zöllners Hoffnung. Und dann ist er der Letzte, der Kaminski lebend sah und alle Welt wird im dankbar dafür sein, dass er seine Lebensgeschichte aufgeschrieben hat.
Die totale Selbstüberschätzung
Doch die Fakten muss Zöllner selber liefern. Keine große Herausforderung für Zöllner, so glaubt er jedenfalls. Aber die Rechnung hat er weder mit Kaminskis spröder Tochter gemacht noch mit Kaminski selbst, diesem hochgradig senilen und blinden Dickkopf.
Glaubt sich Zöllner bei der ersten Begegnung mit dem Maler noch in der Position des glorreichen Gönners, sieht er sich bald dem Alten ausgeliefert und mit überzogener Kreditkarte am Steuer eines Autos sitzen - mit einem sabbernden Maler auf dem Beifahrersitz.
Das Projekt "Kaminski-Biografie" erreicht ungeahnte Dimensionen. Das Geld ist alle, der Verleger nicht zu erreichen und Kaminski redet zwar viel, aber selten über die wirklich spannenden Dinge. Mit letzter Kraft zieht Zöllner eine Trumpfkarte. Und Kaminski springt darauf an.
Zur Hölle mit Sebastian Zöllner und zur Hölle mit Manuel Kaminski
"Ich und Kaminski" von Daniel Kehlmann verwandelt mit wenigen Sätzen friedvolle Leser in garstige Misanthropen. Der alte Kaminski ist ein überheblicher, bockiger Greis, der bis zum Schluss seines undurchsichtigen Lebens jeden bescheißt, der sich in seine Nähe wagt. Der junge Zöllner ein feister, dreister Vogel, der keine Ahnung von Malerei, kein Gefühl für Takt und keine Idee vom Leben hat. Selten bereitet ein Buch diese unbändige Freude darüber, zu begreifen, dass jemand geradewegs dabei ist, sein armseliges Leben komplett in den metertiefen Dreck zu fahren.