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Ragna lebt am Hof, geküsst hat sie noch nie - und als sie es tut, verändert sich alles: "Die Königin der Frösche" von Akiz erzählt davon.

Die Ungeheuerlichkeit ist geschehen. Und sie ist dermaßen ungeheuerlich, dass Ragna es immer wieder so nennen muss, bevor sie überhaupt zum Punkt kommt. Obwohl es ihr nicht an Worten mangelt, findet sie doch keine besseren für das, was ihr am frühen Morgen dieses kalten Herbsttages im Oktober 1799 widerfahren ist.

Ragna sitzt in ihrer Kammer und schreibt. Sie schreibt weder an einen Gott, noch an eine real existierende Person. Sie schreibt auch kein Tagebuch. Es ist eher ein Bericht an eine ihr unbekannte Nachwelt. Was auch immer mit ihr geschehen würde, soll irgendwann irgendwer, der es einzuordnen weiß, wissen.

Ragna will es wissen

Heute morgen, als die Herzogin in der Kapelle für ihren kranken Gatten zur Jungfrau Maria betete, da warteten ihre drei Töchter Mathilde, Berta und Ragna gelangweilt vor sich hin. Und weil es am Hofe wirklich selten vorkommt, dass die Herzogtöchter ohne Aufsicht sind, nutzte Ragna, die Jüngste von ihnen, die Gunst der Stunde: Sie forderte ihre beiden Schwestern auf, ihr endlich zu zeigen, wie es geht. Dieses Geheimnis, das so viele Frauen regelmäßig erblassen lässt.

Ihre Schwestern wollten erst nicht. Aber Ragna kennt zu viele ihrer dunkelsten Geheimnisse, die sie sofort ins Kloster bringen würden. Also zeigten sie ihrer nervigen kleinen Schwester, wie es geht: Sie ließen Ragna dreizehn mal in die Knie gehen. Und dann stemmte sich Mathilde gegen Ragnas Brust – und um Ragna herum veränderte sich alles.

Eine Kröte glotzt sie an

Ragna träumt. Oder doch nicht? Sie liegt mit dem Gesicht auf dem weichen Boden, im Gras. Um sie herum: Bäume, durch deren Blattwerk tanzend das Abendlicht der untergehenden Sonne strahlt, auf einen Weiher, der vor ihr liegt.

Noch kann Ragna alles sehen. Auch die Kröte, die am Ufer sitzt und in die aufsteigende Dunkelheit glotzt. Ragna steht auf, geht hin, nimmt das Tier in ihre Hände. Sie hört den Wind, die Bäume, das Gras. Und es ist ihr, als ob alles für einen kurzen Moment den Atem anhält, als Ragna die Kröte an ihre Lippen presst.

"Spätestens jetzt haben wir alle ein Bild vor Augen. Wir sehen eine junge Frau, die eine Kröte küsst. Wir erwarten, dass etwas passiert. Dass die Kröte spricht oder sich verwandelt, vielleicht in einen Königssohn."
Lydia Herms, Autorin

Der Schriftsteller Akiz spielt in seinem zweiten Roman "Die Königin der Frösche" mit unseren Erwartungen. Tatsächlich kommt es im Verlauf der Geschichte zu einer Verwandlung, wenn nicht sogar zu mehreren. Aber anders, als wir es aus dem Märchen "Der Froschkönig" kennen.

Ragna sehnt sich zurück an diesen wunderbaren Ort. An die Kröte, die beim Kuss so anders schmeckte. Und sie spürt eine Veränderung in sich. Sie will plötzlich anders atmen. Sie hat Lust auf anderes Essen. Aber am Unheimlichsten ist, dass die Kröte in ihrem Traum natürlich längst keine mehr ist...

Das Buch:
"Die Königin der Frösche" von Akiz, Hanser Verlag, 174 Seiten.

Shownotes
Das perfekte Buch für den Moment...
... in dem ein Kuss alles verändert
vom 29. Januar 2023
Autorin: 
Lydia Herms