Was ist, wenn böse Mächte die persönlichen Daten, die wir im Netz so bereitwillig preisgeben, gegen uns verwenden – um uns auszuspionieren, zu kontrollieren und zu drangsalieren? Genau darum geht es in Paul Lynchs Roman "Das Lied des Propheten", Gewinner des Booker Prize 2023.
Wenn ihr im Netz dasselbe Passwort für 20 Logins habt oder ChatGPT mit euren privaten Infos für einen neuen, kreativen Lebenslauf füttert – wie oft habt ihr da schon gedacht: Naja, wird schon nichts passieren, ich hab ja nichts zu verbergen...
Und was ist, wenn ihr falsch gedacht habt?
Alptraum: Irland auf dem Weg in die Tyrannei
Im düsteren – und sehr aktuellen – Roman „Das Lied des Propheten“ müssen Eilish und ihre vier Kinder Mark, Molly, Baily und Ben miterleben, wie ihnen der Boden unter den Füßen entzogen wird. Ein autoritäres Regime dehnt die Möglichkeiten der Demokratie zunächst aufs Maximum aus – und zerlegt sie irgendwann komplett.
Seit dem Tag, an dem ihr Mann Larry festgenommen wurde und sie nichts mehr von ihm gehört hat, verändert sich Eilishs Leben im Stundentakt. Manchmal weiß sie nicht, ob sie noch schläft oder noch wach ist. Der Übergang zwischen Albtraum und Realität ist fließend. Plötzlich weiß niemand mehr, was noch erlaubt ist, und was nicht. Plötzlich ist man entweder
für den Staat und das Regime – oder dagegen. Es wird geflüstert, oder geschwiegen. Plötzlich verschwinden Nachbar*innen und Kolleg*innen.
Wer hat die Kontrolle?
Von einem Tag auf den anderen sind ihre Häuser leer und ihre Schreibtische geräumt. Plötzlich gibt es eine abendliche Sperrstunde. Die Wehrpflicht für junge Männer wird wieder eingeführt. Das Internet wird eingeschränkt und ausländische Medien komplett verboten. Das Programm der BBC wird von der Regierung kontrolliert.
Seitdem ihr Mann fort ist, und ihr Sohn Mark sich den Protesten angeschlossen hat, weil er nicht von der Armee eingezogen werden will, wird Eilish gemieden. Der Fleischer bedient sie nicht. Womit auch? Das Angebot ist dürftig. In ihrer Panik vor dem, was da kommen mag, hamstern die Menschen die Geschäfte leer. Manche sprechen von Flucht, andere von Terror. Und Eilish muss sich schon bald entscheiden: Bleibt sie, duldet sie, kämpft sie oder flieht sie?
Das Buch
"Das Lied des Propheten" (OT: „Prophet Song“) von Paul Lynch, aus dem Englischen übersetzt von Eike Schönfeld, erschienen bei Klett-Cotta, 311 Seiten, Hardcover: 26 €, eBook: 20,99 €, Hörbuch-Download: 19,99 €, ET: 13.07.2024
"Das Lied des Propheten" gewann den Booker Prize 2023. "Ein Triumph des emotionalen Erzählens, mutig und anregend", urteilte die Jury.
Der Autor
Paul Lynch, geb. 1977 in Limerick, wuchs in Donegal auf und lebt in Dublin. Von 2007 bis 2011 war er Chef-Filmkritiker der irischen Zeitung „Sunday Tribune“ und schrieb regelmäßig für die „Sunday Times“. Seitdem ist er hauptberuflich Autor. Seine Werke wurden mit zahlreichen Preisen in Irland und UK ausgezeichnet. (Quelle: klett-cotta.de)