• Deutschlandfunk App
  • Spotify
  • Apple Podcasts
  • Abonnieren

"Auf See" heißt der zweite Roman von Theresia Enzensberger, in dem sie die unglaubliche Geschichte von Yada erzählt, die auf einer Insel lebt und diese verlassen möchte.

Es ist Nacht. Yada schleicht sich zum Dock. Sie ist dort verabredet mit Rebecca. Plötzlich sieht sie ein Licht in der Ferne aufleuchten. Es nähert sich viel zu schnell. Das kleine Boot hält direkt auf sie zu. Panisch duckt sich Yada hinter einen Pfahl. Es könnte ein Boot der Sicherheitsleute sein, die die Insel bewachen. Dann wäre ihre Reise schon zu Ende, bevor sie überhaupt richtig begonnen hat. Aber es ist Anca hinter dem Steuer. Neben ihr steht ein vermummter Mann.

Wo bleibt Rebecca? Yada zögert. Sie starrt zurück auf die Station, in die Dunkelheit und rechnet jeden Moment damit, dass Rebeccas schlanke Gestalt im Licht auftaucht, geschmeidig, als würde sie tanzen. Yada stellt sich vor, wie sie ihre Hand in Rebeccas Hand legt, wie sie gemeinsam ins Boot springen. Aber Rebecca taucht nicht auf. Stattdessen ermahnt sie der Vermummte neben Anca. Er streckt seine Hand aus. "Jetzt oder nie", sagt er. Und Yada springt. Allein.

"Jahrelang hat sie das Leben auf der künstlichen Insel als gegeben hingenommen, den Privatunterricht, den grünen Nährstoffbrei, die Isolation, hat den streng vorgegebenen Tagesablauf als ihren eigenen akzeptiert."
Deutschlandfunk-Nova-Literatur-Expertin Lydia Herms über den Roman "Auf See"

In einem kleinen Stahlboot tuckert sie Richtung Festland, an das sie kaum noch Erinnerungen hat. Und trotz der Schwimmweste, die sich eng um ihre Brust legt, hat Yada das Gefühl, ihrer Angst völlig ausgeliefert zu sein. Noch könnte man sie aufhalten. Noch hatten sie die Öffnung im Wellenbrecher nicht passiert. Als sie sie erreichen, klettert der Vermummte zu den Sicherheitsleuten empor. Dann gibt er ein Zeichen. Anca schaltet die Scheinwerfer ein – und gibt Gas.

Orakel, Familie und Sekte

Yada war noch sehr klein, als sie mit ihrem Vater und etlichen Wissenschaftler*innen auf die künstliche Insel in der Ostsee gezogen war, bestehend aus drei schwimmende Stationen, dazwischen vierzig Wohneinheiten, die wabenartig miteinander verbunden sind, weshalb sie auch Bienenstock genannt werden. Yadas Zuhause. Bis zum Tag ihrer Flucht, zwei Monate vor ihrem achtzehnten Geburtstag.

"Auf See" heißt der zweite Roman von Theresia Enzensberger. "Will man von ihm berichten, dann wird es schwer. Wo anfangen? Wie viel verraten? Was kommentieren?", so Deutschlandfunk-Nova-Literatur-Expertin Lydia Herms. Fakt ist: Es ist eine unglaubliche Geschichte. Sie erzählt von einem Mädchen, von einem Orakel, von einer Kräuterfrau, von einem Guru, von einer Sekte, von einem Tyrannen, von einem ausrangierten Kreuzfahrtschiff, von Menschen aus der ganzen Welt, von einem bebauten Tempelhofer Feld in Berlin, von einer Flut, von einer Familie, die es nicht mehr gibt, und von einer Familie, die neu entsteht, von der Angst vor dem nahenden Weltuntergang, von Träumen – und von einer Insel.

Das Buch

"Auf See" von Theresia Enzensberger, Hanser, 259 Seiten, Hardcover: 24 Euro, E-Book: 17,99 Euro, ein Hörbuch gibt es auch, gelesen von der Autorin; Erscheinungstag: 22.08.2022.

Shownotes
Das perfekte Buch für den Moment...
…wenn dir jemand den Weltuntergang prophezeit
vom 04. September 2022
Autorin: 
Lydia Herms