Lisa Poettinger ist Klimaaktivistin, strafbare Aktionen inklusive. Gegen sie laufen zwei Strafverfahren. Und sie will Lehrerin werden. Das bayerische Kultusministerium sagt, sie ist zu radikal dafür. Ist das legitim?
Bachelor-, Masterstudium, Staatsexamen und dann das Lehrer*innen-Referendariat, um als Beamt*in an einer Schule unterrichten zu können. So läuft das normalerweise. Und so oder so ähnlich hatte sich das sicher auch Lisa Poettinger aus Bayern vorgestellt.
Doch das bayerische Kultusministerium hat ihr einen Strich durch die Rechnung gemacht und sie vom Referendariat ausgeschlossen. Nach Einschätzung des Kultusministeriums steht Lisa Poettinger nicht mit beiden Beinen auf dem Boden der Verfassung, so fasst es Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Annika Säuberlich zusammen.
Wo endet die Verfassungstreue?
Das Kultusministerium betont, dass es dabei nicht um ihren Einsatz gegen den Klimawandel gehe, sondern um, so formuliert es Florian Herrmann (CSU), Leiter der Bayerischen Staatskanzlei, "das Engagement in linksextremistischen Vereinigungen sowie auch im Zusammenhang stehenden strafrechtlichen Ermittlungen."
"Extremisten haben im Staatsdienst nichts verloren, im Schuldienst erst recht nicht. Wir wollen weder Kommunisten noch Nazis in unseren Schulen."
Bei der vom bayerischen Verfassungsschutz linksextremistisch eingestuften Vereinigung handelt es sich um "Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München". Außerdem laufen gegen Lisa Poettinger zwei Strafverfahren. Zum einen wird ihr vorgeworfen, ein AfD-Plakat abgerissen zu haben. Zum anderen soll sie bei einer Demo gegen die Abbaggerung des Dorfes Lützerath (NRW) gegen die Polizei Widerstand geleistet haben. Lisa Poettinger hat darüber hinaus öffentlich Straftaten im Zusammenhang mit solchen Demos und Aktionen gebilligt.
Vorwurf: Kommunismus und Demokratie nicht vereinbar
Ein weiterer Vorwurf lautet, dass Lisa Poettinger im Zusammenhang mit der Kapitalismuskritik, die sie übt, Ausdrücke wie Profitmaximierung und Klassenkampf benutzt. Das Kultusministerium argumentiert, dass Profitmaximierung ein kommunistischer Begriff sei und Klassenkampf nicht mit Demokratie einhergehe.
Die Aktivistin und Anwärterin auf das Lehrer*innen-Referendariat widerspricht dem. Sie verweist auf die bayerische Verfassung, laut der die Wirtschaft dem Gemeinwohl dienen müsse. Das sei das Gegenteil von Kapitalismus.
"Was hat Kapitalismus mit Demokratie zu tun? Das eine ist ein Wirtschaftssystem, das andere ist eine Staatsform."
Lisa Poettinger hat den Ausschluss vom Referendariat, das Mitte Februar 2025 beginnt, öffentlich gemacht. Sie hat dutzende Interviews gegeben und geht mithilfe einer Anwältin gegen die Entscheidung des bayerischen Kultusministeriums vor.
Den Fall Poettinger einzuschätzen ist nicht ganz einfach, sagt Luca Manns, Geschäftsführer der Forschungsstelle Nachrichtendienste an der Uni Köln. Grundsätzlich, sagt der Jurist Luca Manns, geht es vor der Zulassung zum Referendariat darum zu prüfen, ob die Bewerber*in verfassungstreu ist.
"Das heißt nicht, dass man mit der Regierung übereinstimmen muss, sondern die Menschenwürde achtet und Rechtsstaats- und Demokratieprinzip berücksichtigt." Als Beispiele nennt Luca Manns Reichsbürger, Rechts- und Linksextreme oder Islamisten.
Bayerns berüchtigte Haltung gegen Linksextremismus
Doch außer im Falle des in Deutschland verbotenen Hitlergrußes oder im Falle von NS-Parolen sei es gar nicht so einfach festzustellen, wie radikal eine Person ist und ob sie zu radikal für den Staatsdienst ist, sagt Luca Manns.
Was es dann braucht, ist eine Art Beweisführung. Bei Lisa Poettinger dürfte diese die Überprüfung beinhalten, ob sie die Inhalte der Gruppe "Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München" vertritt. Denn Fakt ist, dass der bayerische Verfassungsschutz diese als linksextremistisch einstuft.
"Ich sehe mein drohendes Berufsverbot als Kontinuität von immer autoritärer werdenden Ansätzen, die sich gegen engagierte Menschen richten."
Zu den Strafverfahren sagt der Verfassungsrechtler: "Erst wenn eine Person eine Freiheitsstrafe von über einem Jahr erhält, scheidet sie automatisch aus dem öffentlichen Dienst aus oder kann dafür nicht berücksichtigt werden."
Doch Lisa Poettinger ist ja nicht einmal verurteilt. Allerdings, so Luca Manns, könnten aus den Strafverfahren Rückschlüsse über ihre Verfassungstreue gezogen werden. Beispiel: Blockiert jemand die Straße, kann es bedeuten, dass die Person das Gewaltmonopol des Staates nicht anerkennt.
Insgesamt sieht Luca Manns es als nicht angemessen an, den Ausschluss Lisa Poettinger vom Referendariat als Skandal zu bezeichnen. Aber er verweist auf eine Tatsache, die den Fall besonders mach: Bayern schreibt sich traditionell auf die Fahne, stark gegen Linksextremismus vorzugehen. Das spiele bei dem Fall eine Rolle. Daher ist sich der Verfassungsrechtler sicher: "Die Geschichte wäre in einem anderen Bundesland, Bremen beispielsweise, eher nicht passiert."
Im Podcast geht es außerdem darum, wie sich Lisa Poettinger als Aktivsitin präsentiert und inwiefern aus ihrer Sicht Kapitalismus und Klimakatastrophe zusammenhängen.
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