Das Leonardo da Vinci zugeschriebene Ölgemälde "Salvator Mundi" ist das teuerste Werk der Kunstgeschichte. Es wird auf die Zeit um 1500 datiert, weist eindeutige Lücken in seiner Herkunftsgeschichte auf – und bietet reichlich Potenzial für die Irrungen und Wirrungen des teils abstrusen Kunstmarkts.
Das Bild "Salvator Mundi" zeigt Jesus Christus als "Erlöser der Welt". 2005 wurde das beschädigte und mehrfach übermalte Bild von einem Kunsthändler bei einer kleinen Auktion in New Orleans entdeckt. Er kaufte es für 1.175 US-Dollar. Das Bild wurde restauriert und untersucht, und verschiedene Expertinnen und Experten kamen zum Ergebnis: Das ist ein Werk Leonardo da Vincis.
Es wurde in der National Gallery in London ausgestellt und lockte Kunstfans aus aller Welt an. Später landete es im Privatbesitz eines russischen Oligarchen – und schließlich bei Christie's im New Yorker Rockefeller Center unterm Hammer. Dort wurde es 2017 zum teuersten Kunstwerk der Welt: Sein neuer Eigentümer ersteigerte den "Salvator Mundi" für 450 Millionen US-Dollar und hält ihn seither versteckt.
Sleeper Hunter haben das Bild gefunden
Die Dokumentation "The Lost Leonardo" des dänischen Filmemachers Andreas Koefoed, die diese Woche im Kino startet, erzählt die Geschichte dieses besonderen Bildes. Die Doku ist Thriller, Verschwörungsdrama und Farce in einem. Ein Kunst-Krimi über ein Bild, das niemand auf dem Schirm hatte: Ein sogenannter Sleeper.
Sleeper, also Gemälde, die unerkannt irgendwo schlummern, gibt es immer wieder, sagt Frank Zöllner, Professor für mittlere und neuere Kunstgeschichte an der Universität Leipzig. Und es gebe Menschen, die systematisch nach diesen Sleepern suchen: Die Finder des "Salvator Mundi", Robert Simon und Alexander Parrish, seien solche "Sleeper Hunter".
"Das geht nicht so wie beim TÜV: Stempel drauf und dann können sie losfahren. Das ist eine Auseinandersetzung, die man führt."
Ob das gefundene Werk tatsächlich ein echter Leonardo ist oder nicht, sei nicht so einfach festzustellen, sagt der Kunstexperte Frank Zöllner. Es sei eine äußerst schwierige Sache, die Urheberschaft eines so alten Werkes zweifelsfrei herauszufinden. Gerade wenn Gemälde nicht dokumentiert sind wie im Fall des "Salvator Mundi" müsse man sich auf technische Untersuchungen und das Erfahrungswissen von Expertinnen und Experten verlassen.
Zöllner geht davon aus, dass das Werk eine Werkstattarbeit ist, die auf Leonardo zurückgeht. Leonardo könne also als Konzeptionierer gelten, als Copyright-Inhaber. Am Bild haben wahrscheinlich aber auch Schüler und Angestellte von Leonardo mitgearbeitet.
"Ich bin der Meinung, dass der 'Salvator Mundi' eine Werkstattarbeit ist, die auf Leonardo zurückgeht und an der er mitgearbeitet hat. Er ist der Copyright-Inhaber sozusagen."
Dass Schüler und Gehilfen an Bildern mitwirken, ist nichts Außergewöhnliches, sagt Frank Zöllner. Das "Markenbewusstsein", das viele heute in Kunstwerke hineintragen wollen – der Leonardo-Stempel, den viele dem "Salvator Mundi" verpassen wollen – sei etwas naiv. Auch in der modernen und zeitgenössischen Kunst gebe es viele Künstler, die Arbeiten von ihren Werkstattgenossen ausführen lassen.
Bild ist auf jeden Fall alt
Welche Personen vor 500 Jahren am "Salvator Mundi" mitgearbeitet haben, lässt sich nicht eindeutig klären. Dass das Bild aus Leonardos Werkstatt kommt, steht für Frank Zöllner aber außer Frage. Zu dieser Einschätzung kam er aufgrund verschiedener Evidenzen: Mehrere Vorzeichnungen des Bildes würden zum Beispiel zum überwiegenden Teil von Leonardo da Vinci stammen – wenn auch nicht alle vollständig. Daneben gebe es Kopien, also andere Varianten des Bildes, die "definitiv auch aus seiner Werkstatt" kommen.
Teile des Gemäldes, etwa die Gestaltung der Fingernägel, seien in den Details in einer Art und Weise gemalt, die den Gestaltungsmerkmalen anderer Gemälde Leonardo da Vincis äußerst nahekommen. Andere Bereiche seien "etwas schematisch" geraten, bei diesen gehe man davon aus, dass sie vielleicht von einem Schüler ausgeführt wurden.
Die Perfektion eines Leonardo da Vinci oder auch eines Jan van Eyck sei von Fälschern kaum hinzubekommen, sagt Frank Zöllner. Die Zeichen der Alterung seien zwar recht einfach zu imitieren. Doch mit den heutigen naturwissenschaftlichen Untersuchungsmethoden könne man das Alter eines Werkes präzise bestimmen.