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Seit einem Jahr ist Cannabis in Deutschland legalisiert. Mehr gekifft wird deswegen offenbar nicht. Viele kaufen ihr Gras immer noch auf dem Schwarzmarkt – auch weil legales Cannabis knapp bleibt. Hat das Gesetz überhaupt etwas gebracht?

Seit einem Jahr ist der Besitz von bis zu 50 Gramm Cannabis zu Hause und 25 Gramm unterwegs legal. Zudem darf jeder drei Pflanzen selbst anbauen. Die Reform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach bleibt jedoch eine Teilliberalisierung, da der Verkauf und die Weitergabe weiterhin illegal sind. Unklar ist, ob das Gesetz den Schwarzmarkt beeinflusst hat und ob der Konsum insgesamt gestiegen ist.

Cannabiskonsum niedriger als erwartet

In Stuttgart wurde der Cannabiskonsum durch Abwasseranalysen untersucht. Ein Jahr vor der Legalisierung begannen Messungen eines Abbauprodukts von Cannabis im Urin, die nach der Legalisierung fortgesetzt wurden. Die Befürchtung eines starken Anstiegs hat sich demnach nicht bestätigt: Der Konsum ist zwar um 13 Prozent gestiegen, was die Forschenden jedoch als geringen Anstieg bewerten. Für Deutschland insgesamt gibt es noch keine abschließenden Daten.

"In Stuttgart wurden so viele Daten zum Cannabiskonsum gesammelt wie in keiner anderen Stadt. Die haben das Abwasser untersucht."
Johannes Döbbelt, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Ein Ziel der Legalisierung war es, den Schwarzmarkt zu schwächen, doch das scheint bisher nicht gelungen zu sein. Laut Polizei, Staatsanwaltschaften und Innenministerien hat sich wenig verändert. Als ein Grund dafür gilt der schwierige Zugang zu legalem Cannabis – es gibt noch wenige Cannabis Social Clubs, viele warten auf ihre erste Ernte, und Eigenanbau ist nicht für jeden eine Option. Deshalb kaufen viele weiterhin beim Dealer.

Nachfrage nach medizinischem Cannabis enorm

Die Polizei kritisiert das Gesetz, da es mehr Arbeit verursache. Sie muss Konsumverbotszonen kontrollieren – in der Nähe von Schulen, Kitas oder Fußgängerzonen. Zudem ist es schwieriger, Dealer zu überführen, da sie oft nur die erlaubten 25 Gramm dabei haben und behaupten, es sei für den Eigenkonsum. Juristen sind uneinig: Die Neue Richtervereinigung sieht eine Entlastung der Justiz, da Kleinkonsumenten nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.

Eine andere Möglichkeit an Cannabis zu kommen ist über medizinisches Cannabis, das bei Schlafstörungen, Migräne oder Depressionen verschrieben werden kann und auch online erhältlich ist. Es gibt Hinweise, dass nicht nur Kranke, sondern auch gesunde Menschen leicht daran kommen. Rezepte werden oft durch Videosprechstunden oder Fragebögen ausgestellt. Der WDR berichtet von einem starken Anstieg der Bestellungen seit der Legalisierung – teils um das Zehnfache.

"Medizinisches Cannabis kannst du auch online kaufen. Und da gibt es den Verdacht, dass sich das jetzt nicht nur Menschen kaufen, die wirklich krank sind."
Johannes Döbbelt, Deutschlandfunk-Nova-Reporter

Ob die Legalisierung zu mehr problematischem Cannabiskonsum führt, wird unterschiedlich bewertet. Der Psychiater Stefan Gutwinski von der Charité in Berlin beobachtet, dass vor allem süchtige Patienten seit der Legalisierung mehr konsumieren.

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Maurice Cabanis vom Klinikum Stuttgart sieht hingegen keinen Anstieg von Psychosen, obwohl befürchtet wurde, dass nach der Legalisierung der
Konsum zunehme und damit auch negative Auswirkungen. Der Mediziner sieht die Legalisierung eher positiv, da sie das Thema enttabuisiert habe. Er beobachtet, dass Betroffene nun früher Hilfe suchen, da sie keine Angst mehr vor Strafverfolgung haben. Dies erleichtere den Zugang zu Behandlung und Unterstützung, was aus seiner Sicht ein Vorteil der Legalisierung ist.

Cannabis Club Weimar: Gras im Osterkörbchen

Der Schwarzmarkt besteht weiter, da der legale Zugang noch schwierig ist. Cannabis Social Clubs, wie der in Weimar, gegründet von Friedemann Söffing, kämpfen mit Bürokratie. Sein Antrag auf Anbaulizenz, den er im Juli 2024 ausfüllte, war 80 bis 100 Seiten lang. Die Genehmigung durch die Behörden sollte zügig erfolgen, zog sich jedoch länger hin als erwartet. Erst im Januar 2025 konnte der Club mit dem Anbau beginnen. "Das heißt Cannabis nicht unterm Weihnachtsbaum, aber im Osterkörbchen auf jeden Fall", sagt Friedemann.

Im Cannabis Club Weimar gibt es zunächst einen Eingangsbereich für alle Besucher. Nichtmitglieder werden dort empfangen, bevor ein Aufnahmegespräch erfolgt, so Friedemann. Der Abgaberaum sei zusätzlich gesichert und getrennt von der Anbauanlage. Mitglieder hätten keinen direkten Zugang zu den Pflanzen – es sei denn, sie engagieren sich in Arbeitsgemeinschaften.

"Das Interesse an dem Cannabis Club in Weimar wird von Tag zu Tag mehr."
Friedemann Söffing, Cannabis Club Weimar

Das Interesse am Cannabis Club wächst täglich, sagt Friedemann. Vor allem jetzt kurz vor der ersten Abgabe wollen viele beitreten. Aktuell habe der Club rund 60 Mitglieder und kann vorerst nur 150 aufnehmen, da die Anbaukapazität begrenzt ist. Läuft alles gut, könnte die Mitgliederzahl bis Ende des Jahres auf 500 steigen.

Cannabis Clubs dürfen keine Gewinne machen

Einige Cannabis Social Clubs berichten, dass sich viele potenzielle Mitglieder wegen der langen Wartezeit anders entschieden haben – etwa für medizinisches Cannabis. Auch der Weimarer Club hat diese Erfahrung gemacht. Viele fanden das Vereinskonzept nicht passend, so Friedemann, oder bleiben beim medizinischen Markt, da dieser bequem ist: Das Cannabis kommt direkt nach Hause, ohne zusätzlichen Aufwand.

Cannibis Clubs dürfen keine Gewinne machen, daher geht es für den Weimarer Club vor allem darum, die Investitionen von rund 100.000 Euro zurückzubekommen. Ziel sei es, langfristig ein bis zwei Vollzeitstellen zu schaffen. Trotz fehlender Gewinne leistet der Club einen wirtschaftlichen Beitrag, denn mit voller Mitgliederzahl könnte er jährlich rund 200.000 Euro Umsatzsteuer an den Staat abführen.

Cannabis – Union möchte die Teillegalisierung kippen

Friedemann befürchtet, dass der Cannabis-Anbau in zukünftigen Koalitionsverhandlungen gekippt werden könnte. Gleichzeitig glaubt er, dass die SPD versteht, dass die Legalisierung kein Vorteil für Dealer, sondern eine Entkriminalisierung von 4,5 bis 5 Millionen Konsumierenden ist. Er sieht darin einen wichtigen Schritt für Aufklärung, Jugendschutz und die gesellschaftliche Akzeptanz mündiger Bürger, sagt er.

In den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD wird hingegen diskutiert, die Cannabis-Legalisierung rückgängig zu machen. Ein Unionsvorschlag fordert, das Gesetz komplett zu streichen. CDU-Politiker Günter Krings betont, die Union wolle gegen Drogenkriminalität und für Jugendschutz kämpfen. Besonders Bayern macht Druck: Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nennt die Legalisierung einen "Fehler der Ampel", der rückgängig gemacht werden müsse.

Die SPD hingegen hält sich auffallend zurück. Im Verhandlungspapier, gibt es kein einziges Wort zur Cannabis-Politik. Falls die Teil-Legalisierung zurückgenommen wird, müssten bereits genehmigte Anbau-Vereine schließen. Unklar ist, was mit den Investitionen geschieht und ob betroffene Clubs Schadensersatzansprüche geltend machen könnten.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Cannabis
Ein Jahr legal kiffen
vom 31. März 2025
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartner: 
Johannes Döbbelt, Deutschlandfunk-Nova-Reporter
Gesprächspartner: 
Friedemann Söffing, Cannabis Club Weimar