Alem ist in zwei Welten aufgewachsen. Im Frankfurter Arbeiterviertel bei seiner leiblichen Mutter und in Schwaben bei einer Pflegefamilie. Jahrelang ist er hin- und hergependelt und hat heute auch deswegen einen besonderen Blick auf die Gesellschaft.
"Ich habe eine Mehrfach-Heimat", sagt der Autor und Journalist Alem Grabovac. Maßgeblich dafür verantwortlich ist sein besonderer Lebensweg. Alems Mutter kommt Ende der 60er Jahre aus dem damaligen Jugoslawien nach Würzburg, um dort in einer Schokoladenfabrik zu arbeiten. Als Alem zur Welt kommt, muss sein Vater Deutschland verlassen. Damit Alems Mutter weiterarbeiten kann, gibt sie ihren sechs Wochen alten Sohn in eine Pflegefamilie. Dort wächst Alem mit den sieben Kindern seiner 'deutschen Eltern' (so nennt Alem seine Pflegeeltern) auf, geht zur Schule und spielt Fußball.
"Es gibt viele Wahrheiten und ich bin in vielen Wahrheiten aufgewachsen."
An den Wochenenden geht es häufig zurück ins hessische Frankfurt. Dort hat seine Mutter einen neuen Freund, der Alem jedoch immer wieder verprügelt. "Die erste Ohrfeige habe ich bekommen, als ich sechs Jahre alt war", sagt Alem, "und die richtigen Prügel, die gingen mit acht oder neun Jahren los." Unter richtigen Prügeln müsse man sich minutenlange Schläge mit dem Gürtel vorstellen: "Wenn er besoffen war, dann wurde es gefährlich." Diese Misshandlungen hören erst auf, als Alems Pflegemutter damit droht, Alem ganz bei sich zu behalten.
"Ambivalenz auszuhalten kann schön sein."
Die Suche nach der eigenen Identität
Doch auch bei seiner Pflegefamilie ist bei weitem nicht alles in Ordnung. Alems Pflegevater Robert ist ein ehemaliger Wehrmachtssoldat, Antisemit und Holocaust-Leugner. "Ich glaube, meine Pflegemutter Marianne wollte auch wieder was gut machen", sagt Alem. All diese Erfahrungen hat Alem Grabovac nun in einem Buch veröffentlicht: "Das achte Kind". Das Buch ist zwar ein Roman, behandelt aber in weiten Teilen Alems echte Geschichte. Das umfasst auch die Suche nach seiner eigenen Identität.
"Wenn man sich mit seiner Vergangenheit ehrlich beschäftigt, schaut man anders in die Zukunft."
Erst als Erwachsener erfährt Alem zum Beispiel die Wahrheit über seinen leiblichen Vater. Seine Mutter wollte nicht, dass Alem mit einem schlechten Vatervorbild aufwächst und hat ihm nicht nie Wahrheit erzählt. Im Deep Talk spricht Alem Grabovac in dieser Woche darüber, wie es ist, in verschiedenen Welten groß zu werden, wie er seine eigene Identität geformt hat und warum er ganz gerne allein ist.
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