Die Inflationsrate ist im Vergleich zum vergangenen Jahr etwas zurückgegangen. Weshalb die Lebensmittelpreise dennoch steigen und welche Faktoren dabei eine Rolle spielen können, erklärt der Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven.
Zum einen erfolgt eine Inflation in Wellen, zum anderen kommen Preissteigerungen verzögert bei den Konsument*innen an. Diese beiden Aspekte der aktuellen wirtschaftlichen Lage hatte der Wirtschaftsjournalist Nicolas Lieven, mit dem wir immer mal wieder auf die Entwicklung der Inflation in Deutschland blicken, in einem Gespräch im Dezember 2022 erklärt. Damit lässt sich teilweise schon nachvollziehen, weshalb die Lebensmittelpreise in Supermärkten und bei Landwirt*innen weiter steigen.
Aber obwohl die Inflationsrate im Vergleich zum vergangenen Jahr weniger stark steigt, aktuell liegt sie bei 7,4 Prozent, ziehen die Lebensmittelpreise weiter an - teilweise um bis zu 20 Prozent.
"Wenn alle die Preise erhöhen, dann schlucken wir Verbraucher das einfach auch. Nicht alle, aber viele machen sich gerade ein Stück weit die Taschen voll."
Es gibt unterschiedlichen Faktoren, die bei Preissteigerungen von Lebensmitteln eine Rolle spielen, erklärt Nicolas Lieven.
Produktionskosten gestiegen
Preise für Futter- und Düngemittel und auch die Energiepreise sind gestiegen. Wir dürften jetzt nicht nur auf die gesunkenen Preise aus den letzten Monaten schauen, sondern sollten auch in Betracht ziehen, dass beispielsweise Tierställe und Gewächshäuser schon seit Längerem beheizt werden müssen, sagt der Wirtschaftsjournalist. Das heißt, die gestiegenen Produktionskosten der vergangenen Wochen und Monate spielen mit einer gewissen Verzögerung in die Berechnung der Lebensmittelpreise mit hinein.
Zudem sind in vielen Branchen auch die Arbeitskosten inzwischen höher geworden: Mindestlöhne seien vielerorts gestiegen und Arbeitskräfte seien schwieriger zu finden, führt Nicolas Lieven an.
Verknappung durch gedrosselte Produktion
Durch erhöhte Kosten verringert sich der Umsatz. Das habe dazu geführt, dass die Niederlande in manchen Bereichen die Produktion gedrosselt haben, sagt der Wirtschaftsjournalist. Die Folge: eine gewisse Verknappung, die sich auch wiederum auf die Preise auswirken kann.
Trockenheit wirkt sich auch auf Lebensmittelpreise aus
In manchen Regionen Spaniens und Frankreichs herrscht zudem Trockenheit. Die Ernten fallen geringer aus, dadurch steigen wiederum die Preise zum Beispiel für Orangen.
Marktmacht der großen Player
Aber auch ein gewisses Kalkül großer Konzerne spielt wohl eine Rolle beim Anstieg der Preise. Die Konkurrenz unter den verschiedenen Marken sei groß, daher kommt es eher nicht vor, dass nur einzelne Unternehmen die Preise für eine bestimmte Genuss- oder Lebensmittelsorte anheben.
Wenn aber alle Produzenten gleichzeitig die Preise anheben, so nehmen wir das als Konsument*innen eher in Kauf und geben weiterhin Geld dafür aus, erläutert der Wirtschaftsjournalist. Dadurch würden sich zwar "nicht alle, aber schon viele ein Stück weit die Taschen vollmachen", so Nicolas Lievens Einschätzung zum hohen Anstieg bei den Preisen bestimmter Produkte wie zum Beispiel Schokolade.
Viele greifen daher nun zu den Eigenmarken der Supermärkte, die in der Regel etwas günstiger sind, und auch Angebote lohne es zu nutzen, so Nicolas Lieven. Bei manchen Lebensmitteln wie Butter oder Sonnenblumenöl seien die Preise nach einem Peak auch wieder auf ein Vorkriegsniveau gesunken. Insgesamt werden die Preise aber weiterhin steigen, prognostiziert der Wirtschaftsjournalist.
"Meine Prognose lautet: Es wird weiterhin teurer werden, weil zum Beispiel die Arbeitskosten steigen werden."