Traditionell werden Städte mehrheitlich für Männer geplant. Eva Kail kümmert sich bei der Stadtplanung besonders um Frauen. Sie berücksichtige nur die statistische Realität, sagt die Planerin aus Wien.
Viele Städte sind eher für Männer geplant als für Frauen. Stadtplanung sollte sich jedoch auch an statistischen Werten orientieren. Die Bedürfnisse von Nutzerinnen sind in der Planung und Gestaltung des öffentlichen Raums bislang nicht ausreichend berücksichtigt worden.
Beispielsweise sind 72 Prozent der öffentlichen Klos in Berlin für Männer zugänglich, aber nur 54 Prozent für Frauen. Traditionell sind Städte auch mehr auf den Autoverkehr ausgerichtet. Anfang der 1990er nutzen in Wien rund zwei Drittel der Männer ein Auto, aber nur ein Drittel der Frauen.
Gerechtigkeit als Planungsziel
Gender planning würde beispielsweise berücksichtigen, dass Kitas und Schulen gut mit dem öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) erreichbar sind, dass ÖPNV grundsätzlich besser und günstiger wird, auf Bürgersteigen mehr Platz für Kinderwagen ist und Ampelschaltungen Laufende bevorzugen.
Eva Kail ist Expertin für frauengerechtes Planen und Bauen beim Amt für strategische Planung der Stadt Wien. Beim Planen geht es für Eva Kail immer darum, Qualitäten und Ressourcen, die in einer Stadt zur Verfügung stehen, gerecht aufzuteilen. Die entscheidenden Fragen sind für sie:
- Wer sind die Nutzer und Nutzerinnen?
- Werden die Interessen gleichberechtigt beantwortet, Geld und Fläche gleichberechtigt verwendet?
"Bevor wir große Plätze umgestalten, machen wir in Wien Sozialraumanalysen, wo beobachtet wird, welche Menschengruppen sich dort aufhalten."
Eva Kail geht es beim Gender planning darum, die Ansprüche bestimmter Zielgruppen im Planungsprozess abzubilden. Aktuell wird in Wien der Stadtteil Seestadt Aspern geplant – unser Bild. Ein Stadtteil, in dem rund 20.000 Menschen leben sollen und der sich auch an den Bedürfnissen von Frauen orientiert. In Seestadt Aspern sind auch alle Straßennahmen weiblich. Für Eva Kail hat diese Benennung einen symbolischen Wert.
"In Wien, historische Stadt, waren 93 Prozent der personalisierten Straßennamen männlich."
Eva Kails Ansatz kann auch gender-unspezifisch gesehen werden. Bei der Planung von Wohnungen sollte beispielsweise berücksichtigt werden, dass jedes Familienmitglied genügend Platz hat. Trotzdem wird vor allem im Bereich Mobilität deutlich, dass sich mehr Männer mit dem Auto fortbewegen. Im Moment seien etwa 55 Prozent der Zufußgehenden Frauen, sagt die Planerin aus Wien.
"Das heißt, statistisch gesehen, kommen breitere Gehsteige überwiegend Frauen zu Gute."
Deswegen ist ein klassischer Planungsbereich, der eher weibliche Personen betrifft, das Sicherheitsgefühl. Eva Kail sagt, Ziel der Planung für die weibliche Mehrheit der Zufußgehenden, sei es Räume mit sozialen Augen zu schaffen. Die Beleuchtung muss ausreichend sein, um ein Gesicht aus zehn Metern erkennen zu können.
"Es geht relativ viel darum, das subjektive Sicherheitsgefühl mit der physischen Infrastruktur zu stärken."
Ein typisches Thema in vielen Stadtentwicklungsgebieten am Stadtrand ist außerdem, ob dort genügend Geschäfte sind. Die wichtigen Einkaufsmöglichkeiten, Friseur, Supermarkt, müssen vorhanden sein. Seestadt Aspern wird über eine Einkaufsstraße verfügen, die wie ein Einkaufszentrum organisiert ist.
Die Planerin sagt, Gender planning lasse sich auf jede Stadt übertragen– auch auf Dorfplanung und Landschaftsgestaltung. Stadtplanung betrachtet sie unter einem gleichstellungspolitischen Aspekt. Vom holzschnittartigen Gegeneinanderstellen von Männern und Frauen hält sie wenig. Ihr geht es um die Gewichtung verschiedener Interessen im Planungsprozess.
"Räume tun von sich aus nichts, aber sie unterstützen bestimmte Alltagszusammenhänge oder sie stellen Barrieren da."