Abends ist es am schlimmsten, denn dann nutzen die meisten Menschen gleichzeitig das Netz: Wir streamen einen Film oder die Lieblingsserie und auf einmal ruckelt und lädt es – obwohl der Provider eine Top-Downloadgeschwindigkeit verspricht. Unsere Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Martina Schulte weiß, warum das so ist und was dagegen getan wird.
Wie groß der Unterschied zwischen dem Versprechen des Providers und der Realität sein kann, hat unsere Reporterin Martina bei sich selbst getestet: Auf der Website der Bundesnetzagentur breitbandmessung.de kann jede und jeder seine Internetgeschwindigkeit messen.
Martina hat zum Beispiel eine Downloadgeschwindigkeit von 12.42 Mbit – versprochen wurde ihr aber von ihrem Anbieter eine dreimal so hohe Maximalgeschwindigkeit. Das bedeutet, wenn sie zum Beispiel 4 GB runterladen möchte, dauert es tatsächlich 45 Minuten. Würde ihr Anbieter sein Maximalversprechen halten, wäre der Download nach nur 16 Minuten vollzogen.
"Wenn ich zum Beispiel 4GB runterladen will, dauert das mit meiner realen Geschwindigkeit 45 Minuten. Würde mein Anbieter sein Maximalversprechen halten, würde es nur 16 Minuten dauern."
Bundesrat will Provider dazu bringen, reale Angaben zu machen
Unsere Reporterin ist mit ihren Ergebnissen nicht alleine: Die Bundesnetzagentur hat die Messergebnisse des letzten Jahres von breitbandmessung.de ausgewertet: 700.000 Kunden haben letztes Jahr dort ihre tatsächlich realisierte Geschwindigkeit gemessen.
Das Ergebnis: Nur 12 Prozent der Nutzer haben die vom Anbieter versprochene maximale Datenrate erreicht. Mehr als zwei Drittel der Deutschen bekam die Hälfte der versprochenen Datenübertragungsrate, die ihnen der Anbieter versprochen hatte.
Jetzt hat der Bundesrat eine Initiative ergriffen, um das zu ändern: Er will Internetanbieter dazu bringen, ihre Versprechen an Kunden einzuhalten – oder zumindest reale Angaben zu machen. Die Anbieter sollen in den jeweiligen Straßen nachmessen, welche Datenrate realistisch ist und die Kunden darüber informieren.
Tun sie das nicht, heißt das zum Beispiel, falls es nach dem Bundesrat geht: Wenn die reale Datenrate zu stark von der versprochenen abweicht, sollen Kunden den Preis mindern können. Weicht die Datenrate regelmäßig extrem ab, so dass sie gar nicht mehr mit dem Angebot vereinbar ist, soll es sogar möglich sein, Schadensersatz zu fordern.
Provider müssen aktuell keine Sanktionen fürchten
Kunden können also ihren Provider kontaktieren und ihn mit den Messergebnissen von breitbandmessung.de konfrontieren – zu befürchten hat der Provider aber nicht viel, sagt Martina. Denn die zuständige Aufsichtsbehörde ist in diesem Fall die Bundesnetzagentur. Die Bundesnetzagentur hat in der Praxis aber kaum eine Möglichkeit einzugreifen, sie darf zum Beispiel keine Bußgelder verhängen und setzt darauf, dass sich die Anbieter selbst regulieren. Daher bietet sie Tools wie breitbandmessung.de an, um Transparenz zu schaffen und den Handlungsdruck auf die Anbieter zu verstärken.
"Wenn eine Leitung über einen längeren Zeitraum nicht auf die vereinbarte Leistung kommt, kann ich meinen Provider kontaktieren, mit den Messdaten konfrontieren und zur Nachbesserung auffordern. Aber de facto hat der Provider nicht viel zu befürchten."
Wenn im Moment also eine Leitung zu langsam ist und der Provider das nicht ändern kann oder will, können Kunden eigentlich nur kündigen oder auf Schadensersatz klagen. Das rät zumindest die Verbraucherzentrale.
Martina hat zwei Gerichtsurteile aus 2009 und 2014 gefunden, bei denen Kunden vor Gericht gezogen sind. In diesem beiden Fällen wurden die Anbieter in der ersten Instanz zu Schadensersatz verurteilt oder die Kunden konnten ihren Anschluss vorzeitig kündigen. Das waren jedoch Einzelfälle – denn die Anbieter nutzen in den Verträgen im Kleingedruckten oft Formulierungen wie "bis zu" 150 Mbit oder ähnlich, Es könnten also auch nur 30 Mbit sein – die Provider verfügen daher über einen Spielraum. Die Kunden müssen erst nachweisen, dass die versprochene Maximalgeschwindigkeit nie erreicht wurde.
"Ich bin da skeptisch. Mit dem Appell muss sich jetzt erst mal das Bundeskabinett befassen, aber es gibt keine zeitliche Frist bis wann das geschehen muss. Und die Groko hat jetzt nach der Hessenwahl bestimmt viel drängendere Sorgen als unser lahmes Internet."
Ob und wann Kunden tatsächlich bessere Möglichkeiten haben, das versprochene schnelle Internet vom Provider einzufordern, ist nicht absehbar. Auch Martina sieht das nach ihrer Recherche kritisch – denn das Bundeskabinett muss sich erst einmal mit dem Appell des Bundesrats beschäftige, und es gibt keine Frist dafür. Außerdem scheint es gerade, also ob sich die Politik mit anderen Problemen, als dem lahmen Internet befassen muss.
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