Während der Stand der Ukraine auf weltpolitischer Bühne mit US-Präsident Trump immer fragiler wird, harren die Menschen im Land weiter aus. Vor allem in Frontnähe geht es ums nackte Überleben. Dort gibt es weder konstant Strom noch Heizung. Und der Winter ist kalt.
Seit über zehn Jahren herrscht Krieg in der Ukraine. Eskaliert ist dieser Krieg vor drei Jahren (am 24. Februar 2022), als der russische Großangriff auf das Land begann. Nach Angaben des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte (OHCHR) sollen bis Ende 2025 mindestens 12.605 ukrainische Zivilist*innen getötet worden seien; rund sechs Millionen Menschen haben die Ukraine als Geflüchtete verlassen. Aber es gibt auch Menschen, die geblieben sind.
Leben unter immer wiederkehrenden Bombenalarm
Vor allem in der Ostukraine müssen die Menschen tagtäglich mit dem Krieg und seinen Auswirkungen leben und regelrecht ums Überleben hoffen. Sarah Easter von der Hilfsorganisation Care ist immer wieder ins Frontgebiet der Ukraine gereist. Zuletzt war sie im Dezember 2024 unter anderem in Charkiw und in einem Dorf in der Donbass-Region, rund 30 Kilometer von der Frontlinie entfern.
"In Frontnähe bedeutet es jedes Mal Lebensgefahr, wenn man einen Fuß vor die Tür setzt."
In Erinnerung sind ihr die zerstörten Städte und Landschaften geblieben. Statt Dächern sind die Häuser mit Plastikplanen bedeckt, erzählt Sarah Easter. Weil Fensterscheiben durch Explosionen zerborsten sind, wurden sie mit Pappe oder Holz verbaut.
Im Westen der Ukraine sei mehr Normalität und Alltag möglich, sagt Sarah Easter. Die Geschäfte sind geöffnet, die Menschen gehen zur Arbeit. Doch Luftalarm – zehn, zwanzig Mal am Tag – sei selbstverständlich, genauso, dass Menschen stundenlang in Schächten, U-Bahn-Stationen und Kellern verbringen.
"Viele Ukrainer*innen haben Weihnachten in U-Bahn-Stationen gefeiert, auch der Schulunterricht findet aus Sicherheitsgründen unterirdisch statt."
In frontnahen Gebieten sei das Leben kaum noch möglich. Es gebe keine funktionierende Infrastruktur mehr. Sarah Easter erzählt von einem Dorf, in dem die Wasserversorgung komplett zerstört wurde. Im Grundwasser seien Leichenpartikel festgestellt worden, das Grundwasser sei damit kontaminiert und könne nicht mehr getrunken werden. An Orten wie diesen sei Nothilfe durch Hilfsorganisationen unablässig.
Flucht muss man sich leisten können
Immer wieder finden daher auch Evakuierungen aus den Krisengebieten statt, sagt Sarah Easter. Doch es gibt Menschen, die trotzdem in den Gebieten bleiben. Warum? Weil Flucht Geld kostet. Andere glauben, keinen Neuanfang abseits der Heimat zu schaffen. Und wiederum andere haben pflegebedürftige Angehörige, die sie nicht zurücklassen können oder wollen.
Ein großer Teil der Last liegt auf den Frauen, sagt Sarah Easter. Die Männer seien im Krieg. Die Verantwortung für Haushalt, Familie, aber auch Einkommen liege bei ihnen. Nicht selten stehen sie vor der Herausforderung, sich nach einer Flucht innerhalb des Landes ein neues Leben für sich und ihre Familie aufzubauen.
"Eine Kollegin sagte, sie hat das Gefühl, vor drei Jahren einmal richtig tief Luft geholt zu haben. Seitdem hatte sie keine Chance auszuatmen."
Winterpakete, Wasserversorgung, Reparaturarbeiten, die Liste an benötigter Hilfe in der Ukraine ist lang. Doch die Länge des Krieges mache es nicht einfacher, die Hilfen zu finanzieren, sagt Sarah Easter. Je länger ein Konflikt dauert, desto weniger Aufmerksamkeit bekommt er, wird von anderen Krisen und Kriegen weltweit verdrängt.
Die Hilfe für die Ukraine bleibt jedoch weiter akut, appelliert Sarah Easter. Das gilt nicht nur für materielle Güter, sondern auch für psychosoziale Angebote. "Die Menschen leben seit drei Jahren unter belastenden Bedingungen. Da ist psychologische Betreuung und Aufarbeitung unglaublich wichtig." Denn wer in einem Kriegsgebiet lebt, der muss nicht nur überleben, sondern muss auch lernen mit den Spuren und Wunden umzugehen, die der Krieg in der Seele hinterlässt.