Ihre Schießbude lockt mit makaberen Gewinnen: Keks-Sturmgewehren oder Baby-Merchandise mit Einschusslöchern. Eine Protestaktion gegen die Waffenindustrie, die nicht alle toll finden.
Der Weihnachtsmarkt in Oberndorf am Neckar punktet mit besinnlicher Musik, mit Glühwein und selbst gestrickten Socken. Zwischen Zuckerwatte und Mützenstand geht es aber weniger beschaulich zu: Am Stand der Künstlergruppe "Rocco und seine Brüder" trifft unsere Reporterin Grit Eggerichs auf einen Nikolaus mit dunkler Brille, Patronengurt und Megafon. Er fordert die Leute zum Schießen auf.
"Schnapp dir drei Granaten und wirf auf die Stadt! Ja, genau! Traut Euch!"
Die Weihnachtsschießbude ist eine Kunstaktion gegen die Waffenindustrie. Denn Hauptarbeitgeber in Oberndorf am Neckar ist der Rüstungskonzern und Waffenhersteller Heckler und Koch. Die Firma produziert Gewehre für Polizei und Armeen innerhalb der EU. Das Unternehmen hat aber auch Lieferverträge mit Ländern wie Saudi-Arabien. "Deutschlands tödlichstes Unternehmen" wird Heckler und Koch von Kritikern genannt.
Die Inszenierung des Schießstands auf dem Weihnachtsmarkt ist der Aktionsgruppe gut gelungen. So gut, dass Hera, eine der Künstlerinnen, zwischendrin sehr bemüht allen Standbesuchern zu erklären versucht, dass sie die Firmenpolitik von Heckler und Koch nicht okay findet.
Die vier Berliner Künstler, die hinter der Aktion stehen, haben wochenlang liebevoll gebastelt, gebacken und vorbereitet - sogar eine Pappkulisse mit zerschossenen Fassaden als Heckler-und-Koch-Logo. T-Shirts, Baby-Strampler und Keks-Sturmgewehre liegen auf dem Gabentisch.
"Die Menschen waren tatsächlich sehr glücklich. Sie haben geschossen und gewonnen und wollten am liebsten gar nicht aufhören."
Als die Polizei kam, musste sich Rocco mit Brüdern und Schwestern dann ziemlich schnell verdrücken. Die Aktion dauerte etwa zwei Stunden.
"Das geht auf einem Weihnachtsmarkt gar nicht. Ich war entsetzt und hab das der Polizei gemeldet."
Hinter der Aktion stecken Untergrund-Künstler
"Rocco und seine Brüder" nennt sich ein Berliner Kunst-Kollektiv, das im öffentlichen Raum agiert: 2016 hat die Gruppe ein kleines Schlafzimmer mitten in der Berliner U-Bahn aufgebaut - als Protest gegen immer weiter steigende Mietpreise. Im Sommer dieses Jahres befestigten sie eine Gebetsbank vor einen Geldautomaten in Berlin und erregten damit viel Aufsehen und polizeiliche Ermittlungen.
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