Türkische Künstler, Intellektuelle und Kulturschaffende haben in Berlin den Verein "Kulturinitiative aus der Türkei" gegründet. Sie möchten sich vernetzen, sich gegenseitig unterstützen und ihre Arbeit in die Öffentlichkeit tragen. Und sie ziehen damit weitere an.
Seit dem gescheiterten Putschversuch befinden sich einige hundert Künstler und Akademiker aus der Türkei in Deutschland und versuchen nun hier Fuß zu fassen. Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Menekşe Toprak hat einige Vereinsmitglieder getroffen.
Hayko Bağdat ist einer von ihnen und kam vor acht Monaten nach Berlin. Er kommt aus Istanbul und ist in der Türkei bekannt für seine kritischen Zeitungskolumnen.
In Berlin wollte er mit seiner politischen Stand-Up-Show auftreten. Und er ist geblieben. Mit seinem im Exil lebenden Kollegen Can Dündar gründete Hayko Bağdat schon bald das türkische Onlinemedium "Özgürüz", zu Deutsch "Wir sind frei". Das Onlinemedium ist ein Sprachrohr für die Kritiker des Präsidenten Recep Tayyip Erdogan.
"Das heißt, wir befinden uns in einem Kampf. Denn drei Viertel der Personen, die sich in diesem Kampf befinden, sitzen heute in einem türkischen Gefängnis."
Der christlich-armenische Journalist hat "Özgürüz" wieder verlassen und arbeitet nun für einen Exil-Fernsehsender. Er hat inzwischen einen Teil seiner Familie nach Berlin geholt, aber einfach sei es nicht, in der neuen Stadt sesshaft zu werden, findet er.
"Und die deutsche Bürokratie. Das ist wirklich alles sehr, sehr schwer."
Gründer ist der Regisseur Mustafa Altıoklar
Der Verein "Kulturinitiative aus der Türkei" wurde von dem Istanbuler Regisseur Mustafa Altıoklar gegründet. Inzwischen ist der Verein selber ein Grund geworden, warum es viele Schauspieler, Intellektuelle und Künstler nach Berlin zieht.
An der Schule unterrichten Größen der Filmbranche
Seit mehr als einem Jahr betreibt Mustafa Altıoklar eine türkischsprachige Schauspielschule in Kreuzberg. Dort unterrichten inzwischen viele Berühmtheiten aus der Istanbuler Filmbranche. Auch der Filmemacher Barış Pirhasan arbeitet hier gelegentlich.
Er hat seit 17 Jahren eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung und drehte bereits zwei Filme in Berlin. Immer pendelte er in dieser Zeit zwischen Berlin und Istanbul. Vor einem Jahr kam er dann nach Berlin, um zu bleiben.
"Denn ich stellte fest, dass ich in der Türkei zu viel wertvolle Zeit verlor. Projekte, die gestrichen und nicht unterstützt wurden, schwarze Listen. Du bist nicht mehr du selbst."
Der Verein als Vorbild
Doch nicht jeder hat die Mittel, in Berlin frei zu leben und zu produzieren. So die 47 Jahre alte Professorin Mine Gencel Bek, die öfter aus Siegen nach Berlin kommt. Die Medienwissenschaftlerin aus Ankara hatte in der Türkei mit mehr als 1.000 anderen Akademikern einen Friedensaufruf unterzeichnet, der die Regierung aufforderte, die Kurdenfrage politisch und gewaltfrei zu lösen. Deshalb wurde sie von ihrer Uni suspendiert und ihr Pass für ungültig erklärt.
Mine Gencel Bek hatte da schon ein Stipendium der Universität Siegen in der Tasche. Sie und einige Kollegen und Kolleginnen planen einen anderen Verein zu gründen: Für Akademiker, die sich für den Frieden einsetzen. 100 Wissenschaftler leben mittlerweile im Exil in Deutschland - sie sind auf gegenseitige Unterstützung angewiesen.
Seit kurzem sind auch ihr Mann und ihre Tochter in Siegen, um mit ihr dort ein neues Leben zu beginnen. Doch ihr Stipendium geht bald ab. Ob sie durch neue Stipendien weiterhin unterstützt wird, ist unklar.