Deutschland kommt mit dem Klimaschutz nicht so schnell voran, wie es vorankommen müsste. Das wird der Bundesregierung von ihrem eigenen Expertenrat bescheinigt. Kritik gibt es vor allem an der von der Ampel geplanten Reform des Klimaschutzgesetzes.

Die Daten, die das Umweltbundesamt Mitte März vorgelegt hat, sehen auf den ersten Blick ganz gut aus: Deutschland hat 2022 seine Klimaziele erreicht. 746 Millionen Tonnen CO₂ wurden demnach ausgestoßen – das sind zehn Millionen Tonnen weniger als die Zielvorgabe.

Der Klimaexpertenrat der Bundesregierung hat diese Daten jetzt unabhängig bewertet – und die guten Zahlen relativiert.

Die CO₂-Einsparungen seien in erster Linie erreicht worden, weil die Wirtschaftsleistung Deutschlands in Folge der russischen Ukraine-Invasion zurückgegangen ist: weniger Produktion bei der Industrie, Energiekrise, Probleme bei den Lieferketten. Ohne den Krieg hätte es mehr Emissionen gegeben, so Hans-Martin Henning vom Expertenrat.

"Die Treibhausgasemissionen hätten um rund neun Megatonnen höher gelegen, wenn das Wachstum der Wirtschaftsleistung nicht in Folge des Krieges in der Ukraine geringer ausgefallen wäre als erwartet."
Hans-Martin Henning, Leiter des Klimaexpertenrats der Bundesregierung

Das zweite große Aber: Das Tempo der Emissionsreduzierung von 1,9 Prozent (2022 gegenüber 2021) reiche bei weitem nicht aus, um die großen Klimaziele zu erreichen:

  • Bis 2030 sollen die klimaschädlichen Emissionen in Deutschland um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 sinken.
  • Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein.

Aktuell würden wir zum Ende des Jahrzehnts bei etwa 55 Prozent weniger Treibhausgasen landen, so der Expertenrat. Was bisher zum Beispiel mit Wärmepumpen, erneuerbaren Energien und Elektromobilität passiere, sei noch nicht ausreichend. Die Bemühungen müssten deutlich verstärkt werden.

Experten kritisieren geplante Reform des Klimaschutzgesetzes

Bisher definiert jeder Sektor – also etwa Verkehr, Bau oder Energieproduktion – ein eigenes jährliches Klimaziel. Wird dieses nicht erreicht, muss das zuständige Ministerium binnen weniger Monate ein Sofortprogramm vorgelegen, um die Ziele doch noch zu erreichen. Aktuell wären das Bau- und das Verkehrsministerium eigentlich genau dazu verpflichtet. Denn die Klimaziele wurden in diesen Bereichen nicht eingehalten.

Doch die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP hat sich gerade darauf geeinigt, das Klimaschutzgesetz zu reformieren: In Zukunft sollen die verschiedenen Sektoren ihre Emissionseinsparungen verrechnen dürfen.

Plan der Ampel: Sektoren sollen Emissionseinsparungen verrechnen dürfen

Der Expertenrat hält das für eine schlechte Idee. Die einzelnen Ministerien würden damit aus der Verantwortung genommen. Außerdem gebe es keinen Puffer – kein Sektor sei auf einem wirklich guten Weg. Die Reform mache es deshalb schwieriger, die Ziele für 2030 und 2045 einzuhalten.

"Wir sehen eigentlich, dass wir in keinem Sektor wirklich auf einem guten Weg sind. Das heißt: Es ist nicht so, dass ein Sektor dem anderen da irgendwas ausleihen könnte und es irgendwo Puffer gibt."
Brigitte Knopf, Vizechefin des Klimaexpertenrats der Bundesregierung

Greenpeace stimmt dieser Einschätzung des Expertenrats zu. Sie sei eine "schallende Ohrfeige" für die Bundesregierung. Umwelt- und Klimaschutzorganisationen haben Bundeskanzler Scholz aufgefordert, von den Sektoren, in denen es nicht gut läuft, auch weiterhin Klimaschutzsofortprogramme einzufordern.

Bauministerium will Sofortprogramm vorlegen, Verkehrsministerium nicht

Das Bauministerium unter der Leitung von Klara Geiwitz (SPD) hat so ein Programm tatsächlich angekündigt. Das Verkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP) wiederum lehnt Sofortmaßnahmen ab – eine davon könnte etwa ein Tempolimit auf Autobahnen sein. Begründung: Die Vorgaben werden sich ja in Kürze durch die Reform des Klimaschutzgesetzes sowieso ändern.

Doch es regt sich Widerstand – vor allem bei den Grünen. Manche Abgeordnete haben dezent signalisiert, dass sie einer Gesetzesreform vielleicht gar nicht zustimmen werden, wenn die einzelnen Ministerien beim Klimaschutz aus ihrer Ressortverantwortung genommen werden.

Der nächste Ampelkrach scheint also vorprogrammiert.

Shownotes
Kritik des Klima-Expertenrats
Weniger CO2-Emissionen, aber zu langsam
vom 18. April 2023
Moderation: 
Till Haase
Gesprächspartner: 
Raphael Krämer und Jakob Vogel, Deutschlandfunk-Nova-Nachrichten