Feministische Außenpolitik versucht, die Interessen marginalisierter Gruppen zu integrieren und strukturelle Ungleichheiten zu beseitigen. Eine große Herausforderung. Denn lange Zeit habe Außenpolitik andere Prioritäten gesetzt, kritisiert die Menschenrechtsaktivistin Kristina Lunz.
"Feministische Außenpolitik weiß, dass sexualisierte Gewalt gegen Frauen und Vergewaltigungen als Kriegswaffe eingesetzt werden", sagt die Menschenrechtsaktivistin Kristina Lunz. Sie hat das Centre for Feminist Foreign Policy mit gegründet (also das Zentrum für feministische Außenpolitik).
Patriarchale Außenpolitik hat Sicherheit ausschließlich mit militärischer Stärke gleichgesetzt", sagt Lunz. Diese Art der Außenpolitik sei lange Zeit von einer bestimmten Gruppe von Männern umgesetzt worden. "Diese Herrschaften dachten, dass ihre Realität die Realität aller Menschen ist. Das ist eine groß Fehlannahme! Darauf basierend wurden über Jahrzehnte Entscheidungen getroffen, die die meisten Menschen in Unsicherheit halten." Das müsse sich ändern, würde aber nur langsam passieren.
"Das Gegenteil von feministischer Außenpolitik ist nicht männliche, sondern patriarchale Außenpolitik."
Eine zentrale Forderung feministischer Außenpolitik sei die Abrüstung, sagt Lunz, also das Ende einer engen Verzahnung zwischen Militär und Politik. Dabei sei gerade in den Zeiten des Kriegs in der Ukraine die Aufrüstung weiterhin ein wichtiges, außenpolitisches Mittel. Deswegen müsse man gerade einen großen Widerspruch aushalten.
"Den Menschen in der Ukraine muss geholfen werden", sagt Kristina Lunz. "Und zwar so, wie sie es gerade wollen und brauchen." Das beinhalte auch Waffen. "Dabei bedeuten aber mehr Waffen im Umlauf eben auch mehr Zerstörung. Auf diese Ambiguität verweist feministische Außenpolitik."
"Die größten Herausforderungen können nicht national-staatlich gelöst werden."
In Deutschland steht die feministische Außenpolitik im Koalitionsvertrag. Schweden, Frankreich oder Kanada haben dieses Ziel schon länger ausgegeben. Was das konkret bedeuten kann, wurde zum Beispiel im März in der General-Debatte im Bundestag deutlich.
Außenministerin Annalena Baerbock hatte kurz zuvor Frauen in Srebrenica besucht. Diese waren Anfang der 90er-Jahre während des Krieges auf dem Balkan zu Opfern sexualisierte Gewalt und von Vergewaltigungen geworden. Damals waren diese Taten als Kriegswaffe allerdings nicht anerkannt, auch deswegen habe man damals nicht gehandelt. "Deswegen gehört zu einer Sicherheitspolitik des 21. Jahrhunderts auch eine feministische Sichtweise", sagte Baerbock.
Auch an anderen Stellen wird feministische Außenpolitik spürbar. Außenministerin Baerbock hat ebenfalls im März einen neuen Preis für Frauenrechte und Demokratie an Aktivist*innen von #NiUnaMenos (übersetzt: Nicht eine weniger) aus Lateinamerika verliehen. Das Bündnis wendet sich gegen Femizide. Und auf EU-Ebene wird gerade ein Netzwerk initiiert, das die Bedürfnisse von Frauen in Afghanistan erarbeitet, um diese Erkenntnisse in die Verhandlungen mit den Taliban einfließen zu lassen. An diesem Projekt ist auch das Team von Kristina Lunz beteiligt.
"Du kannst nicht mit dem Mindset ein Problem lösen, mit dem du es erschaffen hast."
Im Deep Talk spricht Kristina Lunz mit Sven Preger über die Kernelemente feministischer Außenpolitik, wie diese umgesetzt werden können und was sie persönlich an Diplomatie reizt.
Wir freuen uns über eure Mails an mail@deutschlandfunknova.de
- Buch von Kristina Lunz: Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch. Econ 2022.