Deutschland ist eins der reichsten Länder der Welt, der Wirtschaft geht es allgemein gut und die Zahl der Asylsuchenden geht wieder zurück. Trotzdem: Bei vielen ist Untergangsstimmung. Warum? Wir haben mit Menschen auf der Straße, aber auch mit Psychologen gesprochen.
Vielleicht habt ihr es noch nicht gemerkt, aber Deutschland steckt in der Krise. Das behaupten nicht wir, das ist die Wahrnehmung, die man zwangsläufig bekommen muss, wenn man manchen Magazin-Titeln glaubt...
Auch wenn wir uns auf der Straße umhören, gibt es einige, die uns eine Krise bestätigen. Also: Gefühlt!
"Ich glaube schon, dass es bergab geht. Man hat ja nicht wirklich was gegen Ausländer, aber wir sind hier in Deutschland."
Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und subjektiver Wahrnehmung
Rolf Pohl ist Sozialpsychologe an der Leibniz Universität Hannover. Er sagt, psychologisch gesehen gebe es eine Neigung dazu, eine Diskrepanz zwischen Wirklichkeit und subjektiver Wahrnehmung aufzubauen, die immer von Gefühlen begleitet wird - besonders von Ängsten. Insbesondere beim Thema Kriminalität gebe es eine große Schere zwischen der individuellen Angst, Opfer von Kriminalität zu werden und der tatsächlichen Kriminalität.
"Viele Personen, Institutionen und Gruppierungen wollen die Diskrepanz erhöhen, weil dadurch gerade im Gefühlsbereich etwas erzeugt wird, das abgeschöpft werden kann."
Der Erfolg von Populisten in Deutschland - aber auch in anderen Ländern - verwundert Rolf Pohl nicht. Er deutet das als Ergebnis teils manipulativer Propaganda-Arbeit, die unter anderem mit gefälschten Tatsachen und Statistiken erzielt wurde. Das Problem sei, dass diese gefälschten Zahlen die Gefühle der Menschen besser reflektieren würden als die Fakten.
Angst verkleinert den Horizont
Ein anderer Sozialpsychologe - Jens Förster, Leiter des Systemischen Instituts für Positive Psychologie - bestätigt diesen Eindruck und reagiert auf die Frage nach dem Ursprung dieser Angst und diesem Krisengefühl sogar beinahe ungehalten:
"Diese Angst, wir könnten von Flüchtlingen überrannt werden - als eins der reichsten Länder - das ist ja vollkommen gaga, vollkommen verrückt!"
Trotzdem: Jens Förster ist der Meinung, dass die Krise real ist. Das habe unterschiedliche Ursachen, wie zum Beispiel das Vorrunden-Aus der deutschen Nationalmannschaft bei der Fifa WM 2018, sowie die Querelen in der Regierung, die zugleich wirtschaftliche und soziale Auswirkungen hätten, die uns auch wirklich treffen, sagt er.
"Wenn Menschen schlechter Stimmung sind, wenn sie Angst haben, dann verkleinert sich der Horizont."
Jens Förster glaubt, dass wir aus der Angstspirale nur raus kommen, wenn mal jemand eine Bestandsaufnahme macht, die realistisch und objektiv ist und zeigt: Uns geht es gut. Der Sozialpsychologe sieht das Problem darin, dass Angst den Fokus eng macht. Das bedeutet, Menschen neigen in Angstsituationen dazu, nur eine Lösung zu sehen und die Alternativen um sich herum nicht mehr zu berücksichtigen.
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