"Nüchtern betrachtet muss man sagen: Das Risiko, vergewaltigt zu werden, hat sich erhöht", sagt Kriminologe Christian Pfeiffer. Aber er bittet, bevor man aus den Zahlen Rückschlüsse zieht, einige Aspekte zu berücksichtigen und dann zu bewerten.
Fälle wie dieser in Bonn, wo ein Mann aus Ghana eine Camperin vor den Augen ihres Freundes vergewaltigt haben soll, sind in letzter Zeit rauf und runter diskutiert worden. Sie wurden politisch instrumentalisiert – unter anderem von rechts – um zu beweisen: Mit den Flüchtlingen steigt die Kriminalität.
Laut der aktuellen Kriminalitätsstatistik für 2016 ist die Kriminalität tatsächlich gestiegen. Und ja, sie kann Ängste verstärken, denn mit 6744 vollendeten und 1175 versuchten Fällen von Vergewaltigungen und sexuellen Nötigungen ist die Zahl um 12,8 Prozent gestiegen im Vergleich zum Vorjahr. Das ist krass – sieht aber schon ganz anders aus, wenn man ein paar nicht so offensichtliche Aspekte miteinbezieht, sagt Kriminologe Christian Pfeiffer.
"Man muss nüchtern sagen: Das Risiko, vergewaltigt zu werden, hat sich erhöht. Kein Wunder, bei so vielen jungen Kerlen. Aber das Risiko ist in Deutschland immer noch drastisch niedriger als vor 20 Jahren."
Schauen wir uns neben den Zahlen die Hintergründe und Zusammenhänge an. Auf dieser Grundlage – da sind wir uns ganz sicher – lassen sich dezidierte Bewertungen vornehmen. Das überlassen wir aber jedem selbst.
Im Wesentlichen führt der Kriminologe drei Aspekte an, die es in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen gilt:
- Die Anzeigenbereitschaft: Hier gibt es deutliche Unterschiede. Opfer von Sexualdelikten bringen die Tat nur in 18 Prozent der Fälle zur Anzeige, wenn der Täter Deutscher ist. Bei ausländischer Herkunft liegt die Anzeigenbereitschaft bei 44 Prozent.
- Das Alter: Von Männern zwischen 14 und 30 wird die Hälfte aller Gewalttaten verübt. Diese Altersgruppe ist bei Zuwanderern überrepräsentiert.
- Die Ausweglosigkeit: Innerhalb der Gruppe der Zuwanderer gibt es deutliche Unterschiede. Gewaltbereiter gelten jene, die merken, dass sie hier nicht erwünscht sind und die darüber hinaus keine Bleibeperspektive haben. Nordafrikaner oder Pakistaner zum Beispiel.
Kulturelle Lernprozesse sind möglich
Nicht zuletzt spricht der Kriminologe die Kulturunterschiede an, die vielfach wahrgenommen und im Kontext von Kriminalität und Konflikten vielfach genannt werden. Er nennt das Beispiel von Türken und Russen, die in den 90ern nach Deutschland kamen. Da spricht er von einem Belastungsfaktor.
"Wir mussten feststellen, junge Männer aus der Türkei oder Russland hatten die höchste Machokultur, die höchsten Dominanzansprüche Männer gegen Frauen."
Christian Pfeiffer fordert, viel in Integration zu investieren. Denn Integration habe die Gewaltrate deutlich sinken lassen in den Jahren zwischen 1998 und 2013 von 32 Prozent auf 13 Prozent. Kulturelle Lernprozesse seien möglich, betont Pfeiffer, sie dürften nur nicht zu akademisch ablaufen.