Krebspatienten, bei denen klassische Medikamente nicht helfen, können möglicherweise auf die Informatik hoffen. Durch den digitalen Nachbau eines Tumors können Ärzte alternative Therapieansätze ausprobieren.
Manche beschwören es schon als die Zukunft der Medizin, aber die Methode hat auch Grenzen. In Deutschland ist es erst an etwa 80 Menschen ausprobiert worden. Bei circa der Hälfte hat es etwas gebracht. Unter dem digitalen Zwilling muss man sich einen Nachbau des Tumors vorstellen, was im Prinzip das mathematische Modell der Zelle ist.
"Da wird das ganze Wissen über den Stoffwechsel, über das Zusammenspiel der Gene, wer wen reguliert, wo Botenstoffen ansetzen usw in über 22.000 mathematische Gleichungen gegossen."
Dieses Modell wird von den Ärzten dann mit den Daten des konkreten Tumors gefüttert. Da fließt das Erbgut ein, aber auch, welche Gene aktiv sind oder ob bestimmte Eiweiße verändert sind. Das Daten-Modell kann dann abschätzen, welche Kombination aus Medikamenten den größten Erfolg erzielen würde.
Tumor-Kopien füttern Datenbank
Weil jeder Mensch unterschiedlich auf Medikamente reagiert, und der richtige Therapieansatz deshalb so schwer zu finden ist, ist die Hoffnung groß, anhand digitaler Tumorkopien mehr Menschen schnell und präzise helfen zu können.
Bei etwa der Hälfte der 80 Patienten in Deutschland, bei denen ein digitaler Zwilling erstellt wurde, hat der Ansatz zwar nichts gebracht. Es gibt aber auch Erfahrungen, die Hoffnung machen. Bei einer Patientin wurde vor kurzem eine seltene Mutation gefunden, an der ein ganz neues Medikament ansetzt.
"Diese Mutation haben wir nur gefunden, weil wir sie komplett sequenziert haben. Und diese Patientin hat innerhalb von einer Woche 90 Prozent ihrer Tumorlast verloren."
Dass die Methode so gut funktioniert, ist leider nicht die Regel. Noch nicht. Aber sie hilft Patienten mit seltenen Tumoren, bei deren Behandlung sich die Ärzte unsicher sind. Noch ist der Aufwand sehr groß, denn bis die digitale Tumoranalyse verwertbare Ergebnisse liefert, dauert es sechs bis acht Wochen. Aber keine Tumorkopie war umsonst, denn die Daten füttern eine Datenbank, die stetig wächst und allen Ärzten offen steht und insofern sehr viel mehr Patienten zugute kommen kann.
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