Zu wenig Abstand, zu laut, zu stressig: Konzerte und Clubbesuche können für neurodivergente Menschen eine echte Zumutung sein. Die gute Nachricht: Kleine, ruhige Rückzugsräume können dieses Unwohlsein mildern, so dass auch sie sich beim Ausgehen wohl(er) fühlen.
Personen, die zum Beispiel mit einer autistischen Störung leben oder ADHS haben – die also neuroatypisch sind – fühlen sich bei Club- und Konzertbesuchen häufig unwohl. Die Rapperin Ikkimel hat diesen Menschen bei einem ihrer Konzerte in der Berliner Columbiahalle einen kleinen Rückzugsraum angeboten. Ein Beitrag zur Barrierearmut, findet Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Lena Korbjun.
"Was Tribünen und Rampen für Rollifahrende sind, ist ein Ruhebereich eben für Neurodivergente."
Der Rückzugsbereich stand neurodivergenten Menschen offen und auch Schwangeren. Sie konnten den Bereich nach Nennung ihres Namens während des Konzerts betreten – nach schriftlicher Voranmeldung.
Bock aufs Konzert – aber null Bock auf die Belastungen außenrum
Silvi Carlsson kennt das Problem. Die Youtuberin und Autorin hat ADHS und hatte bei Veranstaltungen schon echte Panikmomente. Sie versucht, sich immer in die Nähe der Fluchtwege zu stellen. Ganz große Hallen meidet sie aber eigentlich komplett. Sie gehe nicht mehr so oft aus – weil sie sich danach tagelang davon erholen müsse, hat sie uns erzählt. Weil sie quasi nichts mehr machen kann.
"Dieses ganze Drumherum, diese Menschenmasse, die Körperberührungen... Bei mir kommt die Wut dann sehr doll hoch – und dann muss ich gehen."
Für Silvi wäre ein Ruhebereich auf Konzerten ein richtiger Gamechanger. "Dann wäre ich wahrscheinlich oft auf Konzerten, weil ich liebe das", sagt sie.
Oft gibt es keinen Platz für einen extra Ruheraum
Solche Rückzugsbereiche sind allerdings oft ein räumliches Problem, erklärt Lena Korbjun. Nicht jede Konzertlocation ist barrierearm – weder für Neurodivergente noch für Menschen mit körperlichen Einschränkungen. Das bestätigt auch Johannes Everke vom Bundesverband der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV).
"Wenn wir ein Konzert, sagen wir mal: in der Kirche haben, dann hallt das ganz anders. Dann ist das für Leute mit akustischen Herausforderungen eine Besonderheit."
Der BDKV arbeitet mit Act Aware e.V. zusammen, einer Initiative für mehr Awareness auf Veranstaltungen. Um Inklusionsmaßnahmen – darunter eben auch die Ruheräume – zu fördern, wurde nun ein Awareness-Guide zusammengestellt. Die Idee und das Ziel ist, besser auf die besonderen Bedürfnisse der besonderen Kundschaft einzugehen.
Fest steht: Bei sehr vielen Konzerten ist da, was diese Awareness betrifft, noch viel Luft nach oben.