Nicht jede Person, die abends ein Glas Wein zum Essen trinkt oder es samstags regelmäßig knallen lässt, erkrankt an einer Alkoholabhängigkeit. Neben Dauer und Menge des Alkoholkonsums spielen viele andere Faktoren eine Rolle. Trotzdem gibt es einige Anzeichen, auf die Konsumierende achten können.
Triggerwarnung: In diesem Artikel geht es um Alkoholabhängigkeitserkrankung.
Wenn Du überprüfen willst, ob Dein Verhältnis zu Alkohol möglicherweise problematisch ist, oder wenn Du Hilfe brauchst, dann hilft zum Beispiel die Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung: Kenn Dein Limit. Oder du klickst hier, und suchst dir aus den Anlaufstellen, die wir für sich zusammengesucht haben, die richtige für dich raus.
Für die einen darf es nur ab und zu ein Sekt zum Anstoßen sein, andere nehmen den täglichen Feierabend zum Anlass, Alkohol zu trinken. Das allein führt allerdings noch nicht zu einer Alkoholabhängigkeit, sagt Suchttherapeutin und Podcasterin Steffi Bötsch.
Kriterien für eine Alkohol-Abhängigkeitserkrankung
Ungefähr 1,6 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahre gelten laut Bundesgesundheitsministerium in Deutschland als alkoholabhängig. Das bedeutet, sie erfüllen mindestens drei Kriterien des ICD-10. Dabei handelt es sich um die internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme.
Insgesamt gibt es sechs Kriterien:
- Es treten Entzugserscheinungen auf, sobald die Person nicht mehr konsumiert. Das können etwa Schlafstörungen, Schweißausbrüche, Zittern oder innere Unruhe sein.
- Der oder die Konsumierende baut eine Toleranzentwicklung auf. Das bedeutet: Um den gleichen Rauscheffekt zu erzielen, muss die Person immer größere Mengen an Alkohol trinken.
- Der oder die Konsumierende verliert immer mehr die Kontrolle über den Konsum. Die Zeiten in denen er oder sie trinkt, weiten sich aus. Statt nur noch abends und mit Freunden zu trinken, wird beispielsweise schon morgens oder mittags konsumiert. Eine Rolle kann beispielsweise auch spielen, ob die Person mehr trinkt als sie sich eigentlich vorgenommen hat.
- Andere Interessen werden vernachlässigt. Das heißt, der Konsum nimmt sehr viel Zeit und Raum im Alltag der Person ein. Aktivitäten, in denen Alkohol keine Rolle spielt, treten in den Hintergrund.
- Die Person konsumiert weiter, obwohl es schädliche Folgen mit sich bringt. Das können gesundheitliche Schäden sein, aber auch beispielsweise berufliche, finanzielle oder juristische Schwierigkeiten, die durch den Konsum entstanden sind.
- Das so genannte Craving – also der innere Zwang zu konsumieren.
Werden drei dieser Kriterien im letzten Monat oder über die letzten zwölf Monate beobachtet, dann gilt eine Person als alkoholabhängig, erklärt Suchttherapeutin Steffi Bötsch. Wie sich an den verschiedenen Kriterien auch sehen lässt, geht es nicht nur darum, wie oft eine Person konsumiert. Eine Abhängigkeitserkrankung besteht aus vielen Faktoren.
"Wer täglich ein zwei Bier trinkt, lebt nicht unbedingt gesund – eine Abhängigkeitserkrankung entwickelt er aber nicht zwangsläufig."
Einige Menschen bringen beispielsweise schon eine familiäre Disposition mit, eher eine Abhängigkeit zu entwickeln, wenn etwa die Eltern alkoholabhängig waren. Auch andere psychische Erkrankungen wie etwa Depression, können eine Alkoholabhängigkeit begünstigen, erklärt Steffi Bötsch. Ein Faktor kann außerdem das Umfeld sein, in dem sich eine Person befindet, wenn etwa sehr oft und viel Alkohol konsumiert wird.
Das bedeutet: Nicht jeder Mensch entwickelt eine Abhängigkeit – auch wenn er öfter Alkohol trinkt. Erst wenn mehrere Kriterien erfüllt sind, liegt nach medizinischen Standards eine Abhängigkeit vor.
Konsum von Anfang an reflektieren
Viele Menschen reflektieren ihren Konsum erst dann, wenn er schon problematisch ist – wenn er sich also schon auf irgendeine Weise schädlich auf sie, ihr Leben oder Menschen in ihrem Umfeld ausgewirkt hat. Steffi Bötsch findet: Gerade weil es in unserer Gesellschaft so normal geworden ist, Alkohol zu konsumieren, sollten wir unseren Konsum von Anfang an reflektieren. Auch um einer Abhängigkeitserkrankung vorzubeugen.
"Jeder sollte den eigenen Konsum reflektieren und sich zum Beispiel fragen: Wie viel Zeit wende ich eigentlich für den Konsum und den Kater auf? Beeinträchtigt das vielleicht schon meinen Alltag?"
Jeder Mensch konsumiert individuell: Menge, Arten, Verträglichkeiten unterscheiden sich. Jede Person sollte für sich herausfinden, was sie eigentlich von dem Konsum erwartet und wie viel sie trinken kann und möchte, rät die Suchttherapeutin.
Wer das Gefühl hat, der eigene Alkoholkonsum nimmt sehr viel Raum ein, kann sich auch in Suchtberatungsstellen Unterstützung suchen. Steffi Bötscher betont: Heutzutage geht es dort auch nicht mehr vorrangig und als einziges Ziel um eine Abstinenz. Die individuelle Beratung anhand der eigenen Präferenzen und Wünsche steht im Vordergrund.