Wer ist brutaler? Der Islamwissenschaftler Marwan Abou-Taam hat einen Konkurrenzkampf zwischen Al Kaida und IS ausgemacht.
Bei den Attentaten in Paris gibt es zwei Fraktionen - die Brüder Chérif und Saïd Kouachi, die den Anschlag auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo verübt haben. Und dann ist da noch Amedy Coulibaly, der wenig später einen jüdischen Supermarkt überfiel und dabei vier Geiseln und eine Polizistin ermordete. Die Täter sollen in Verbindung gestanden haben, aber dann gibt es auch Hinweise, dass sie mit unterschiedlichen Terrornetzwerken verbunden waren. Amedy Coulibaly hat sich in einem Video auf den IS bezogen und Chérif und Saïd Kouachi sollen Verbindungen zu Al Kaida im Jemen gehabt haben. Und dieser Zweig hat sich mittlerweile auch für den Anschlag verantwortlich erklärt.
Konkurrenz zwischen IS und Al Kaida
Gibt es einen Konkurrenzkampf zwischen Al Kaida und IS? Darüber haben wir mit dem Islamwissenschaftler Marwan Abou-Taam gesprochen. Er ist Terrorismusexperte beim Landeskriminalamt in Rheinland-Pfalz. Grundsätzlich gilt: Für eine Terrororganisation ist es sehr wichtig, dass sie erfolgreich Terroranschläge in westlichen Städten verübt, sagt Marwan Abou-Taam. Nur so könne sie ihren Anspruch geltend machen, Weltpolitik zu machen. Und beweisen, dass sie dazu in der Lage ist.
"Den Wettbewerb zwischen Al Kaida und IS könnte man unter der Überschrift 'Verwaltung der Barbarei' verzeichnen."
Ideologisch gibt es große Übereinstimmungen zwischen Al Kaida und dem IS. Allerdings unterscheiden sie sich in ihren Methoden und ihrer Taktik. Für die Anhänger des IS ist klar: Al Kaida ist zu intellektuell, redet zu viel und handelt zu wenig. Der IS will dagegen Ergebnisse sehen, hat ein Kalifat ausgerufen und ist dabei, staatliche Strukturen aufzubauen. Was die beiden Terrornetzwerke sonst noch unterscheidet: Dem IS ist es gelungen, die Grenzen der arabischen Staaten zu überwinden, erklärt Marwan Abou-Taam. Ein Schritt, von dem Al Kaida immer geträumt habe.
Die Medienprofis vom IS
Auch beim Umgang mit den Medien und beim Auftritt in den sozialen Netzwerken stellt sich der IS geschickter an. Die Folge: Ihm fällt es leichter, junge Menschen anzusprechen und für den Jihad zu rekrutieren. Und der IS weiß, was seine Zielgruppe sehen will: Videos von direkten Aktionen, statt ideologischer Schriften. Zu all dem kommt: Es ist viel einfacher, sich dem IS anzuschließen als Al Kaida. Einfach weil Interessenten sehr leicht von der Türkei nach Syrien oder in den Irak gelangen können. Weil der IS staatliche Strukturen geschaffen hat, gibt es für Sympathisanten außerdem viele Möglichkeiten, sich zu engagieren. Wer nicht in den Kampf ziehen will, kann sich zum Beispiel in der Verwaltung einbringen und dabei helfen, das Kalifat aufzubauen, sagt Marwan Abou-Taam.