Worauf kommt es beim Übergang von Krieg zu Frieden an? Konfliktforscher Andreas Heinemann-Grüder über die Ziele der Kriegsparteien im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und die Vielzahl wichtiger Faktoren und Variablen.
Im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine versucht eine Partei, ihre Interessen durch einen völkerrechtswidrigen Krieg zu erreichen. Die andere verteidigt sich. Heinemann-Grüder ist nicht optimistisch, dass dieser Krieg rasch beendet sein wird. Dennoch befasst er sich mit den zahlreichen Faktoren, Aspekten und Implikationen, die eines Tages wichtig sein können, bei der Suche nach einem Weg zum Frieden.
Um diese Faktoren wahrnehmen zu können, sei es wichtig, alle Theorien für den Beginn dieses Krieges in Betracht zu ziehen. So mache es einen Unterschied, ob man den Überfall der Ukraine als Putins Krieg oder als Russlands Krieg betrachte.
"Warum sollte Putin von seinen maximal deklarierten Zielen abgehen?"
Die Kriegsziele beschreibt Heinemann-Grüder folgendermaßen: Russland wolle die Kontrolle über die formal annektierten Gebiete, eine Landbrücke zur Krim, keine NATO-Infrastruktur auf ukrainischem Territorium und das Asowsche Meer als Binnenmeer. Die Ukraine wolle alle russisch besetzten Gebiete zurückerobern, mindestens bis zum Stand vom 24.2.2022, sie wolle Zugänge zum Schwarzen Meer, sie wolle auch künftig abschrecken können, insbesondere um russische Überfälle zu verhindern und zudem keine russische Beeinflussung der ukrainischen Politik.
Ziele des Westens
Als Kriegsziele des Westens nennt er: Die Ukraine als Staat erhalten, dabei keine Ausweitung des Krieges und keinen Atomkrieg, keinen langen Krieg und keine direkte Konfrontation mit Russland. China teile diese Ziele weitgehend.
"Wenn die Ukraine nicht mehr verteidigungsfähig wäre, würde Russland seine Kriegsziele wieder ausweiten."
Eine zentrale Frage sei: Wie Kriegsziele begrenzt werden können, wenn die Kriegsparteien ihre maximalen Ziele nicht erreichen können? Er hält es nicht für ausgeschlossen, dass Russland von diesen maximalen Zielen abgehen könnte, es gebe Beispiele dafür in der Geschichte.
"Es gibt Fälle, da hat der Kreml gesagt: Wir können die maximalen Ziele nicht erreichen."
Für dieses Jahr rechnet er weder mit Sieg noch Niederlage einer Seite. Beide Parteien würden sich auf eine Minimierung der Kriegsziele zubewegen, bei anhaltender Konfrontation mit mal höherer, mal geringerer Gewaltintensität.
Spürbare Kriegsfolgen für Russland
Er hält begrenzte Abkommen zu Gefangenenaustausch und Weizenhandel für möglich, vielleicht lokale Waffenstillstände, bei weiterhin andauernder Kontrolle erheblicher Teile der von Russland annektierten Gebiete. Gleichzeitig geht er davon aus, dass Russland die Folgen des Krieges zu spüren bekommen wird.
Andreas Heinemann-Grüder hat seinen Vortrag in folgenden Abschnitte unterteilt:
- Theorien zu den Ursachen des Krieges
- Welche Szenarien gibt es?
- Maximale und minimale Ziele der Konfliktparteien
- Was müsste ein Friedenabkommen regeln?
- Weitere Fragen
Nach dem Vortrag wurde dieser ergänzt und kommentiert von der Politikwissenschaftlerin Jana Windwehr.
Andreas Heinemann-Grüder ist Konfliktforscher am Bonn International Centre for Conflict Studies (BICC) Seinen Vortrag mit dem Titel "Wie enden Kriege? Einsichten für den Krieg gegen die Ukraine" hat er am 4. Mai 2023, im Rahmen der Vorlesungsreihe "Zeitenwende in der Sicherheitspolitik" gehalten. Kommentiert wurde der Vortrag von der Politikwissenschaftlerin Jana Windwehr. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und europäische Politik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, der die Reihe in Kooperation mit der Friedrich-Ebert-Stiftung veranstaltet.
- Intro
- Theorien zu den Ursachen des Krieges
- Welche Szenarien gibt es?
- Maximale und minimale Ziele der Konfliktparteien
- Was müsste ein Friedenabkommen regeln?
- Weiterführende Fragen
- Kommentar der Politikwissenschaftlerin Jana Windwehr