Jan fühlt sich unter Druck gesetzt, denn seine Mutter wünscht sich Enkelkinder. Die Psychotherapeutin Juliane von Hagen erklärt, wie wir mit solchen Erwartungen umgehen können.
Es gibt Eltern, die können es manchmal gar nicht abwarten, Großeltern zu werden. Und das lassen Sie uns mitunter auch wissen. Viele Menschen im gebär- und zeugungsfähigen Alter haben schonmal Sätze gehört wie "Ach, so ein Enkelkind, das könnte ich mir gut vorstellen". Oder noch viel direkter: "Wann ist es denn bei euch so weit?" Letzteres klingt, als gäbe es an der Tatsache, dass die Enkelkinder irgendwann kommen, gar nichts zu rütteln. Dabei hängt das Kinderbekommen von sehr vielen Faktoren ab, die unsere Eltern oft gar nichts angehen.
Kinderkriegen hängt von vielen Faktoren ab
Einer, der diese Situation nur zu gut kennt, ist Jan, Mitte zwanzig. Jedes Mal, wenn er seine Eltern besucht, kommt das Thema Enkelkinder auf den Tisch. Das Problem: Jan hat zwar auch einen Kinderwunsch, derzeit allerdings gar keine Partnerin. "Da wird fast jedes Mal nachgehakt: 'Wie ist es denn mit einer Partnerin jetzt gerade?' Und wenn es dann noch darum geht, dass ich eventuell wegziehen möchte: 'Wo sind wir dann, wenn die Enkel dann da sind? Und wer kümmert sich darum?'", erzählt Jan. Er findet diese Fragerei inzwischen ziemlich nervig.
"Irgendwann ist ein Thema für einen selber dann auch mal durch. Für andere aber leider nicht. Und dann ist es manchmal einfach nur nervig, wenn der Moment überhaupt nicht passt."
Jan weiß schon lange, dass er mal Kinder haben möchte. Er ist Erzieher, hat viel mit Kindern zu tun und konnte sich bereits mit 19 oder 20 Jahren vorstellen, Papa zu werden. "Nur die finanzielle Situation und die fehlende Partnerin haben dazu beigetragen, dass es noch nicht dazu gekommen ist", sagt er. Deswegen glaubt er auch, dass er selber zum Enkelwunsch seiner Eltern beigetragen hat.
Er hat noch eine jüngere Schwester. Allerdings ist sie so jung, dass bei ihr Kinder derzeit noch kein Thema sind. Sein älterer Bruder hingegen hat sich gerade verlobt. "Das ist natürlich für mich super, weil da jetzt erst mal so der Blick darauf gerichtet ist", sagt Jan. Allerdings seien sich der Bruder und die Partnerin noch gar nicht zu 100 Prozent sicher, ob sie überhaupt Kinder möchten.
Kinderwunsch oder nicht? – Klarheit für sich selbst schaffen
Wenn unsere Eltern die Frage nach den Enkeln stellen, dann kann das ganz schön viel Druck auslösen oder auch zu Konflikten führen. Juliane von Hagen, Psychotherapeutin bei der Online-Therapie-Plattfom HelloBetter weiß, wie wir damit umgehen können. "Grundsätzlich sind Eltern gewohnt, beratend zur Seite zu stehen und ihre Kinder in der Bewältigung von Lebensaufgaben zu unterstützen", sagt sie. Nur: Die Kinder emanzipieren sich logischerweise auch irgendwann...
"Kinder werden irgendwann Erwachsene, haben vielleicht eigene Vorstellungen entwickelt und brauchen die Beratung der Eltern nicht mehr so häufig."
Juliane von Hagen sagt, dass es natürlich ganz unterschiedliche Gründe geben kann, warum Eltern sich unbedingt Enkelkinder wünschen und diesen Wunsch dann auch äußern. Ob wir mit ihnen offen über das Thema sprechen sollten, hänge allerdings auch davon ab, wie wir selber zu dem Thema stehen. "Es gibt ja beispielsweise auch Personen, die versuchen, Kinder zu bekommen, können es aber nicht. Das kann natürlich zu Traurigkeit oder Hilflosigkeit führen.
Es kann aber auch sein, dass man einfach Wut oder Frust empfindet, dass die Eltern sich (zu intensiv) in die eigene Lebensplanung einmischen. Und so kann dann natürlich auch ein gewisser Druck oder Stress entstehen, sagt die Psychotherapeutin.
Schuldgefühle und Angst können entstehen
Natürlich können solche Erwartungen dann auch bei den Kindern viele – nicht unbedingt positive – Gefühle und Reaktionen hervorrufen. Etwa, dass wir in der Folge vermeiden, mit den Eltern zu sprechen oder sie zu besuchen. Oder dass wir plötzlich Angst haben, den Partner oder die Partnerin mit zu ihnen zu nehmen. Es könnten auch Schuldgefühle entstehen oder Angst, den Erwartungen der Eltern nicht zu entsprechen, sagt Julian von Hagen.
"Es ist wichtig, im ersten Schritt erst mal für sich selber zu reflektieren: Was sind eigene Erwartungen und was sind fremde Erwartungen?"
Die Psychotherapeutin rät, dass wir uns erst einmal darüber klarwerden sollten, was unsere eigenen Wünsche sind – und dass wir diese klar von Fremderwartungen trennen: "Gerade hinsichtlich dem Thema Familienplanung werden ja ganz unterschiedliche und auch widersprüchliche Erwartungen an uns herangetragen. Vielleicht die Eltern, die den Wunsch nach Enkelkindern haben, der Arbeitgeber, der eher ein Signal setzt, dass das für die Karriere schwierig wäre. Vielleicht Schwiegereltern, die eher dazu raten, zu warten und sich einen finanziellen Puffer aufzubauen."
"Es ist okay, sich von den Erwartungen, die mit den eigenen Zielen und Vorstellungen nicht übereinstimmen, guten Gewissens zu verabschieden."
Niemand könne allen Erwartungen gerecht werden. Also sei es wichtig, sich die eigene Position und die eigenen Wünsche klarzumachen. Anschließend kann man sich dann guten Gewissens von allen anderen Erwartungen verabschieden, sagt Juliane von Hagen. Ob wir das dann mit anderen teilen und Auskunft über unsere Kinderplanung geben oder nicht, sei letztlich eine sehr persönliche Entscheidung. Die Psychotherapeutin sagt: "Es ist auch okay, wenn man sich entscheidet, nicht darüber zu reden und da auch eine klare Grenze zu setzen."
Ich-Botschaften statt Vorwürfe
Wenn wir uns dafür entscheiden, zu kommunizieren, dann sei es jedoch sehr hilfreich, wenn wir vor allem ausdrücken, was die Erwartungen mit uns machen und wie wir uns damit fühlen. "Man kann dann auch noch einen Wunsch anschließen. Zum Beispiel: 'Ich würde mir wünschen, dass ihr das Thema nicht mehr von euch aus ansprecht. Wenn ich über Familienplanung sprechen möchte, werde ich das von mir aus tun. Ich möchte, dass ihr meine Entscheidungen respektiert."
Wenn wir Ich-Botschaften und Wünsche formulieren, könne das Gegenüber meist viel besser damit umgehen, als wenn wir Vorwürfe machen, so die Psychotherapeutin.
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- Juliane von Hagen zu Eltern die unbedingt Enkelkinder wollen