Italiener, Polen, Tschechen, Finnen und alle anderen EU-Bürger dürfen in Deutschland durch Wahlen die Politik in Städten und Gemeinden mitbestimmen. Allerdings haben viele von diesem Recht keinen Schimmer.
In Schleswig-Holstein dürfen die 78.000 dort lebenden EU-Bürger an den Kommunalwahlen teilnehmen. Das ist aber keine besondere Eigenheit von Schleswig-Holstein, das gilt grundsätzlich für alle Bundesländer: Wer einen europäischen Pass hat und mindestens 16 Jahre alt ist, darf an Kommunalwahlen teilnehmen- genauso, wie an den Europawahlen. Auch wenn er kein Deutscher ist, sondern aus irgendeinem anderen der EU-Staaten kommt.
Umgekehrt dürfen natürlich auch Deutsche die Politik in spanischen, dänischen, irischen und sonstigen EU-Städten und -Gemeinden mitbestimmen. Allerdings ist es erlaubt, dass Gemeinden ihre Unionsbürger von Bürgermeisterwahlen ausschließen.
Nur jeder Zweite weiß Bescheid
Dieses Wahlrecht gibt es schon seit 1992 in der Europäischen Union. Allein in Deutschland gibt es 1,9 Millionen wahlberechtigte EU-Bürger. Das Problem: Im Schnitt wissen nur 54 Prozent von ihnen, dass sie überhaupt wählen dürfen. Vor ein paar Jahren war das noch ganz anders: 2010 lag dieser Wert bei 75 Prozent.
"Das Kommunalwahlrecht für EU-Bürger wurde 1992 im Vertrag von Maastricht auf den Weg gebracht. Das müsste sich eigentlich mal rumgesprochen haben."
Die EU-Kommission ist der Ansicht, dass die einzelnen Länder mehr Werbung machen müssten für das Wahlrecht. Immerhin gibt es in der Europäischen Union fast 17 Millionen Bürger, die ihr Zuhause eben nicht mehr in ihrem Herkunftsland haben.
"Es gibt einige gute Beispiele für die Aufklärung", sagt Paul Vorreiter Deutschlandfunk-Nova-Reporter. In Dublin gebe es etwa sehr viele Bürger aus ganz Europa, und mit einem Onlineauftritt in 17 Sprachen werden sie über ihr Wahlrecht informiert.
Wenig Aufmerksamkeit in den Parteien
Auch in den Parteien hapert es noch mit der Teilhabe ihrer europäischen Mitglieder. AfD und CDU fragen die Herkunft ihrer Mitglieder überhaupt nicht ab, die CSU beziffert den Mitgliederanteil der EU-Bürger auf unter 1 Prozent, bei Grünen und FDP ist es ähnlich. "Deswegen gibt es auch keine speziellen Angebote an die EU-Bürger in den Parteien", sagt Paul Vorreiter.
"EU-Bürger haben die Parteien nicht so im Blick."
So bleibt das Interesse an den Kommunalwahlen eher gering, die Wahlbeteiligung liegt bei nur 20 bis 30 Prozent. Manche Wahlberechtigte sehen die Relevanz der Kommunalwahlen nicht. "Ich würde gerne den Landtag wählen", sagt die Berliner Französin Séverine Lenglet von Citizens for Europe. Denn dort fallen die Entscheidungen in der Bildungspolitik, für die Polizei und viele andere Themen. "Da würde ich gerne mein Alltagsleben gestalten können."
EU-Wahlrecht bleibt kommunal
Bereits 2007 gab es die Idee im Bundesrat, das Wahlrecht auf Landes- und Bundesebene für EU-Bürger zu öffnen und dafür das Grundgesetz zu ändern. Dafür wäre im Bundestag eine Zweidrittelmehrheit notwendig. "Dass sich da was tut, ist eher unwahrscheinlich", sagt Paul Vorreiter. "Da gibt es viele Gegner dieser Öffnung."
- Als Wähler unsichtbar, von der Politik vernachlässigt | Der Deutschlandfunk über EU-Bürger in Deutschland