Zu wenig Wohnungen, zu hohe Mieten – es herrscht Wohnungsnot im Mieterland Deutschland. Unsere Kollegin Sina Fröhndrich erklärt, warum das so ist und was Bund und Städte tun können.
Deutschland hat zu wenig bezahlbaren Wohnraum. Politiker wie Bundesinnenminister Horst Seehofer oder Bundesjustizministerin Katarina Barley sprechen bereits vom Wohnen als "soziale Frage". Nun hat Kanzlerin Angela Merkel zum Wohngipfel ins Kanzleramt eingeladen: Am 21. September 2018 treffen sich dort rund 100 Vertreter des Bundes, der Länder, der Baubranche und von Mieterverbänden. Unsere Kollegin Sina Fröhndrich aus der Wirtschaftsredaktion weiß, welche Probleme es gibt und wie es dazu gekommen ist.
Bauflächen sind knapp, teuer – und nicht immer optimal gelegen
Kommunen bauen zwar Wohnungen und Häuser – aber sie müssen mit verschiedenen Problemen kämpfen, erklärt Sina. Zum einen ist da die Lage der Bauflächen. Viele Kommunen besitzen zwar Bauflächen, aber in Städten liegen diese Flächen oft am Rande der Stadt. Wenn diese Flächen bebaut werden, bedeutet es, dass Menschen an den Stadtrand ziehen müssen, um günstig zu wohnen.
Ein weiteres Problem: Das Bauland ist knapp. Wenn Kommunen nun Bauland kaufen wollen, konkurrieren sie mit großen Investoren und ziehen nicht selten den Kürzeren. Selbst dann, wenn der Bund Flächen verkauft. In Berlin ist das beispielsweise passiert: Der Bund hat Flächen dort nicht an die Stadt verkauft, sondern an einen privaten Investor. Er hatte einfach am meisten geboten.
"Die Kommunen müssen zurzeit in einem Markt investieren, der völlig verrückt spielt. Die Preise gehen durch die Decke, und zwar für die Baukosten und für den Boden, und deswegen sind natürlich die Voraussetzungen dafür, jetzt ganz günstig und ganz schnell zu bauen, eigentlich relativ schwierig."
Hinzu kommt, dass Bauflächen teurer geworden sind. Zum Vergleich: Vor elf Jahren hat Bauland durchschnittlich etwa 130 Euro pro Quadratmeter gekostet. Heute sind es 180 Euro. Sina hat auch mit Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik gesprochen. Pätzold sagt, dass sowohl die Kosten für Flächen als auch die Baukosten an sich gestiegen sind. Daher sei es aktuell schwierig, günstig und schnell zu bauen.
Bauen ist teuer und braucht Zeit
Und das ist der nächste Punkt, der es schwierig macht, günstigen Wohnraum zu schaffen. Wer in diesem Jahr Wohnungen baut, zahlt allein vier Prozent mehr als vor einem Jahr, denn: Materialien sind teuer, die Löhne steigen. Und Bauen braucht Zeit.
Wer auf eine Baugenehmigung wartet, muss oft lange Wartezeiten einplanen, weil es in den Ämtern der Bauverwaltungen an Personal mangelt. Kommunen müssten hier Personal aufstocken und Anträge digitalisieren, sagt Sina. Trotz aller Probleme scheint sich dennoch ein positiver Trend abzuzeichnen: Laut Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung scheinen Städte wieder mehr bauen zu wollen.
Kommunen haben zu viele Wohnungen verkauft, um Schulden abzubauen
Wenn es ums öffentliche Bauen geht, nennen Viele die Stadt Wien ein Vorbild sein: Sie besitzt viele Wohnungen und kann diese günstiger vermieten. Deutsche Städte haben zwar auch eigene Wohnungen, aber weitaus weniger als früher. Um Schulden zu reduzieren, wurde lange Zeit viel öffentlicher Wohnraum verkauft. 2015 waren noch rund 2,3 Millionen Wohnungen im kommunalen Besitz – von rund 41 Millionen Wohnungen insgesamt bundesweit. Das ist ein vergleichsweise geringer Anteil.
Bis in die achtziger Jahre war die damalige BRD sehr aktiv im kommunalen und sozialen Wohnungsbau. Aber dann wurde immer mehr privatisiert. Sogar Betriebe haben ihre Werkswohnungen verkauft. Das hat dazu geführt, dass der Wohnungsmarkt ein richtiger Markt geworden ist, sagt Sina. Heute gibt es private Investoren und börsennotierte Wohnungsunternehmen wie Vonovia und Deutsche Wohnen.
"Der Wohnungsmarkt ist ein richtiger Markt geworden. Mit privaten Investoren, wir haben jetzt börsennotierte Wohnungsunternehmen wie Vonovia, Deutsche Wohnen."
Die Stadt Dresden hatte sich beispielsweise auf einen Schlag von all ihren Wohnungen getrennt und auch ihre Wohnungsbaugesellschaft verkauft. Um einen solchen Bestand wieder aufzubauen, brauche es unglaublich lange, sagt Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik.
"Dresden hat seine Wohnungsbaugesellschaft verkauft. – Die brauchen jetzt 100 Jahre, um wieder auf so einen Bestand zu kommen. Das ist doch irre."
Das bedeutet auch: Wenn Bund und Kommunen Wohngeld zahlen oder die Kosten der Unterkunft für Hartz-IV-Empfänger übernehmen, dann landet das Geld in Städten wie Dresden nicht bei einem kommunalen Unternehmen, sondern bei privaten Vermietern. Eine Umverteilung, die von Kritikern zunehmend infrage gestellt wird.
Es gibt auch Stimmen, die sagen, dass Deutschland kein Mieterland mehr sein sollte – wir sollten mehr besitzen. Das ist aktuell aber zu teuer und zu unpraktisch, sagt Sina. Was machen wir zum Beispiel dann, wenn wir mal umziehen müssen, weil wir einen neuen Job in einer anderen Stadt haben? Für unsere Reporterin Sina scheint es daher wichtiger, Mieten sicher und bezahlbar zu machen – denn das hat lange Zeit funktioniert.
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