Gute Vorsätze: Wir kennen das nach Silvester oder Aschermittwoch und nehmen uns vor, Alkohol oder Süßigkeiten zu fasten. Aber dann? Wir werden schwach, verstoßen gegen unsere eigene Überzeugung und unser Gehirn reagiert.
Es gibt viele Beispiele, bei denen der Mensch seine eigene Überzeugung hintergeht: Abnehmen, Rauchen aufgeben, Alkohol fasten, regelmäßig Sport treiben, mehr Fahrrad fahren … Und dann werden wir schwach, beißen in eine Tafel Schokolade, schnorren eine Zigarette, trinken ein Feierabendbier, gammeln auf dem Sofa rum und fahren doch wieder lieber mit dem Auto als mit dem Rad zur Arbeit. Gut fühlen wir uns dabei nicht, wenn wir gegen unsere eigene Überzeugung oder Absicht handeln.
Trotzdem gehen wir aber an Selbstvorwürfen nicht zugrunde oder zerfleischen uns, weil wir es nicht schaffen, streng mit uns selbst zu sein. Ganz im Gegenteil: Unser Gehirn hat für solche Situationen der kognitiven Dissonanz eine Lösung parat.
Mentaler Spannungszustand
Kognitive Dissonanz beschreibt einen mentalen Spannungszustand, erklärt der Neurowissenschaftler Henning Beck. Wenn ich die Absicht habe, keine Schokolade zu essen, weil ich abnehmen möchte, sehe aber eine Tafel Schokolade, reagiert eine Hirnregion, die sagt: Lecker Schokolade, reinbeißen! Eine andere Hirnregion sagt aber: Finger weg! In dem Moment geht eine Alarmglocke im Gehirn an, beschreibt Henning Beck die Reaktion. Im hinteren Bereich unseres Stirnhirns wird diese kognitive Dissonanz genau überwacht und überprüft.
Wenn der Schiri im Hirn pfeift
In der Evolution hat sich unser Verhalten so entwickelt, dass wir diese Spannungssituationen auflösen können. Die Überwachungshirnregion ist in der Lage, andere Hirnregionen zu unterdrücken, so dass wir unsere Meinung in so einem Spannungszustand ändern können.
"Ein bisschen kann man sich die Überwachungshirnregion vorstellen wie ein Schiedsrichter auf dem Fußballplatz, die dann eine andere Hirnregion zurückpfeift, die gerade etwas falsch gemacht hat."
Was passiert aber, wenn der Biss in die Schokolade schneller erfolgt ist, als die Überwachungshirnregion die Lage unter Kontrolle bringen konnte? In dem Fall beginnt das Gehirn sofort, sich eine Ausrede zu überlegen, erklärt Henning Beck. "Das war ja nur ein ganz kleines Stück Schokolade", "Schokolade hat auch viele positive Eigenschaften" oder "einmal ist keinmal".
Gehirn löst die Spannung auf
Wir versuchen uns dann diese kognitive Dissonanz, diese Spannung, schön zu reden. Das klingt nach Selbstbetrug. Aber es zeigt auch eine besondere Eigenschaft des Gehirns: Es kann sich neu verhalten, neu planen, Spannungszustände auflösen "und das ist das, was uns die Welt verändern lässt", ist Henning Beck überzeugt.
"Der Spannungszustand ist der Grund dafür, dass wir mehr sind als so langweilige Maschinen, sondern wir können uns neue Sachen überlegen."
Diese Fähigkeit, Entscheidungen immer wieder neu anzupassen, ist wichtig für das Zusammenleben in der Gruppe oder im Team. Denn viele Entscheidungen, die wir treffen, haben große Konsequenzen, sagt Henning Beck.
Entscheidungen der Gruppendynamik anpassen
Als soziale Lebewesen können wir besser als alle anderen Lebewesen planen, unsere Meinung ändern oder uns Vorstellungen von der Zukunft machen. Deshalb müssen wir in der Lage sein, uns in einem Spannungszustand neuartig entscheiden zu können und dann anders zu handeln, als wir es zuvor gemacht haben.
Kognitive Dissonanz im Leben:
- Europäische Migrationspolitik: Aushandeln statt zu regulieren | Der Historiker Frank Wolff im Hörsaal über europäische Migrationspolitik: "Diese kognitive Dissonanz kostet derzeit tausende Menschenleben und treibt auch Europa immer weiter auseinander."