Tiere haben erstaunliche kognitive Fähigkeiten, obwohl sie nicht wie wir sprechen können. Früher bezweifelte man das, heute sind wir wenigstens etwas schlauer. Daniel Haun über den Zusammenhang von Sprache und Denken – und Egozentrismus in der Forschung.
Rechts und links – diese Unterscheidung ist jawohl universell! Oder nicht? Nein, lehren uns erstaunliche Studien und Experimente aus den Kognitionswissenschaften. So wie sich Sprachen unterscheiden, kann sich auch die Wahrnehmung von Raum, Gerüchen oder auch Farben unterscheiden.
"Die Dinge, die uns umgeben, die uns durchdringen, die Kultur, die Sprache, die Kognition, sind am allerschwierigsten zu sehen. Aber sie sind der Zugang zu einer objektiven Perspektive und zur Selbstbestimmung."
Wer vorurteilsfrei das Denken und die Wahrnehmung von Menschen und nichtmenschlichen Primaten, von sprachfähigen und nicht-sprachfähigen Individuen, von Kindern und Erwachsenen oder von Menschen unterschiedlicher Sprach- und Kulturräumen vergleicht, der entdeckt eine erstaunliche Diversität.
Denken und Wahrnehmung sind erstaunlich divers
Nur wenn wir uns von unserem eigenen Wahrnehmungs- und Denksystem lösen können und andere Varianten in Betracht ziehen und ihnen auf Augenhöhe begegnen, können wir Menschen uns selbst verstehen, lernen wir in dem Vortrag des Entwicklungspsychologen Daniel Haun.
"Wenn es uns nicht gelingt, den Egozentrismus abzulegen, dann werden wir an uns selbst als Forschungsobjekt zwangsläufig scheitern."
Wie hängen Sprache und Denken zusammen? Wie unterscheiden sich Denken und Wahrnehmung bei Menschen und anderen Tieren? Und welche Unterschiede gibt es möglicherweise auch zwischen einzelnen Individuen und menschlichen Kulturräumen? Diesen spannenden Fragen geht Daniel Haun anhand vergleichender Studien und Experimente mit nicht-menschlichen Primaten und in unterschiedlichen Sprachregionen nach und deckt dabei erstaunliche Zusammenhänge auf.
Daniel Haun leitet die Abteilung für Vergleichende Kulturpsychologie am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig und lehrt als Professor an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Er interessiert sich unter anderem für die kulturelle Vielfalt des Menschen und was Kognition damit zu tun hat. Dafür forscht er nicht nur in unterschiedlichen Kulturen, sondern auch mit Menschenaffen.
Seinen Vortrag "Denken mit und ohne Sprache. Lehren aus der Kognitionsforschung mit Menschen und anderen Affen" hielt er am 21. November 2023 im Rahmen der jährlichen Walter-Höllerer-Vorlesung. Mit ihr erinnert die Gesellschaft von Freunden der TU Berlin an den Literaturwissenschaftler und Schriftsteller Walter Höllerer.