Die Polizei soll Straftaten verhindern und aufklären. Zunehmend aber gerät die Exekutive selbst in den Fokus. Wie oft überschreitet sie gewaltsam das, was ihr der Gesetzgeber als Grenze setzt? Dazu forschen Kriminologen an der Ruhr-Universität-Bochum. Die Juristin und Kriminologin Laila Abdul-Rahman spricht in ihrem Vortrag über erste Befunde zu Anzeigeverhalten und Strafverfahren in solchen Fällen.
Paragraph 340 Strafgesetzbuch ist eindeutig: "Ein Amtsträger, der während der Ausübung seines Dienstes oder in Beziehung auf seinen Dienst eine Körperverletzung begeht oder begehen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft." Allerdings zeigt die Statistik: Nur in wenigen Fällen wird wirklich Anklage erhoben.
"Wenn wir uns das für Gewaltanwendung, Gewaltausübung durch Polizeibeamte in der Staatsanwaltschafts-Statistik anschauen, sehen wir nur eine ganz geringe Anklagequote."
Die Forschenden der Ruhr-Universität-Bochum sagen zudem, wir haben es mit einer hohen Dunkelziffer zu tun. Viele entsprechende Taten würden gar nicht erst angezeigt.
Hohe Dunkelziffer bei Polizeigewalt
Deshalb haben sie eine quantitative Befragung veranlasst, um zu erfahren, wer in welchen Zusammenhängen Polizeigewalt erlebt hat.
Die Juristin Laila Abdul-Rahman berichtet in ihrem Vortrag von den Erkenntnissen aus dieser Befragung. Zudem wurden Vertreter von Polizei und Opferberatungsstellen interviewt.
"Es gibt Mechanismen und Stereotype, die auch ins Einsatzhandeln hineinwirken, ohne dass sie den Polizeibeamten und -beamtinnen tatsächlich bewusst sein müssen."
Ihre Arbeit sei keine Racial-Profiling-Studie, sagt die Forscherin. Aber dass es einen Zusammenhang gibt zwischen Diskriminierung und Polizeigewalt, kann sie bestätigen. Der Zweite Zwischenbericht "Rassismus und Diskriminierungserfahrungen im Kontext polizeilicher Gewaltausübung" zeigt unter anderem krasse rassistische Beleidigungen.
"Bei den Gründen gegen eine Anzeige war der ganz überwiegende Grund, dass die Personen gesagt haben: Eine Anzeige gegen die Polizei bringt nichts."
Nach Angaben aus der Befragung haben neun Prozent der betroffenen Befragten die Tat zur Anzeige gebracht. Die Erfolgsaussichten seien zu gering, die Beweislage kompliziert, oft fehlten Zeugen. Andere gaben laut der Forscherin auch an, aus Angst auf eine Anzeige verzichtet zu haben. Sie wollten sich nicht ausgerechnet an die Institution wenden, mit der sie gewaltsame Erfahrungen gemacht haben.
Laila Abdul-Rahman hat Rechtswissenschaft und Internationale Kriminologie studiert. Sie arbeitet mit am Forschungsprojekt "Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen" am Lehrstuhl für Kriminologie der Ruhr Universität Bochum. Ihren Vortrag mit dem Titel "Körperverletzung im Amt durch Polizeibeamt*innen" hat sie am 19.11.2020 im Rahmen der Vorlesungsreihe "Tatort Justiz" der Universität Greifswald gehalten.