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Nach langen Verhandlungen haben Union und SPD ihren Koalitionsvertrag vorgestellt: Die Landesgrenzen sollen strikt kontrolliert werden, die Renten stabil bleiben, der Mindestlohn steigen. Klimaschutz: kaum ein Thema. Geht's so für Deutschland jetzt nach vorne?

Der Koalitionsvertrag zwischen Union und SPD ist da. CDU-Chef Merz lobt ihn als "starken Plan" zur Bewältigung aktueller Herausforderungen. Auch SPD-Chef Klingbeil betont, dass CDU, CSU und SPD in den Verhandlungen erfolgreich "Brücken gebaut" und gemeinsame Lösungen gefunden hätten.

Bürokratie soll abgebaut werden

Schnelle Steuerentlastungen, wie sie die Union versprochen hatte, wird es nicht geben, sondern erst zur Mitte der Legislaturperiode. Das sorgt für manchen Unmut in der Wirtschaft, so Volker Finthammer, Korrespondent im Hauptstadtstudio, der sich den Koalitionsvertrag genauer angeschaut hat.

Dafür kommen höhere Investitionsabschreibungen und eine zügige Senkung der Stromsteuer. Auch ein Bürokratieabbau-Programm ist geplant. Die Wirtschaftsinstitute erwarten ab 2025 ein leichtes Plus, betonen aber: Deutschlands Probleme sind vor allem struktureller Natur.

Zurückweisungen an der Grenze – kein deutscher Alleingang

Beim Thema Migration gibt es im Koalitionsvertrag einen Kompromiss mit klarer Schlagseite zugunsten der Union – etwa bei der Aussetzung des Familiennachzugs, der Rückführungsoffensive und der Abkehr vom erleichterten Einbürgerungsrecht.

"Beim Thema Zurückweisungen an den Grenzen gilt die Einschränkung 'in Abstimmung mit unseren Nachbarländern'. Es wird keinen deutschen Alleingang geben."
Volker Finthammer, Korrespondent in Berlin

Bei den Grenzzurückweisungen bleibt es aber bei der Einschränkung "nur in Abstimmung mit unseren Nachbarländern" – es wird also keinen deutschen Alleingang geben können, wie ihn die Union im Wahlkampf angedeutet hatte, sondern entspricht eher dem Kurs der EU.

Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung

Friedrich Merz lobt den Koalitionsvertrag als tragfähig auch für die junge Generation. Doch ein genauerer Blick zeigt: Auch sie wird belastet – etwa durch die Garantie, dass die Renten gleich hoch bleiben. Das geht nämlich zulasten der jungen Beitragszahlenden. Ursprünglich wollte die SPD diese Garantie bis 2040 festschreiben, was noch teurer gewesen wäre. In dieser Legislatur soll aber ein neues, generationengerechtes Rentenkonzept erarbeitet werden.

"Bafög, WG-Förderung oder die Aktiv-Rente, da gibt es schon einige Elemente , wo man sagen kann, dass die Jugend nicht vergessen worden ist."
Volker Finthammer, Korrespondent in Berlin

Gleichzeitig könnte die Jugend von Investitionen in Infrastruktur und Digitalisierung profitieren – sofern letztere endlich vorankommt. Auch konkrete Maßnahmen wie Bafög, WG-Förderung oder die Aktiv-Rente sind vorgesehen. Die Jugend wurde also nicht vergessen, aber im Gesamtkonzept dominiert weiter die Rücksicht auf ältere Generationen.

Klimaschutz zweitrangig

Der Klimaschutz spielt im Koalitionsvertrag dagegen keine zentrale Rolle mehr. Die Union erwähnt ihn in internen Papieren kaum, setzt stattdessen Schwerpunkte wie Agrardiesel-Rückvergütung oder die Abschaffung des Bürgergelds.

Die SPD bekennt sich zwar zu effektivem Klimaschutz und will die EU-Ziele unterstützen, doch neue Impulse oder eine klare Dynamik sind nicht erkennbar.

"Ein Koalitionsvertrag ist erst mal nicht mehr als eine Absichtserklärung. Da steht nur drin, was man gemeinsam erreichen will."
Volker Finthammer, Korrespondent in Berlin

Der Eindruck ist: In der Theorie wurde viel festgelegt, doch bei der praktischen Umsetzung bleiben viele Fragezeichen. Das ist nachvollziehbar, denn ein Koalitionsvertrag ist vor allem eine Absichtserklärung über das, was man gemeinsam erreichen will, so unser Korrespondent.

Wie etwa bei der Rente geht es später dann um konkrete Details, die erst noch ausgearbeitet werden müssen. Arbeitsgruppen sind dafür nicht verkehrt. Entscheidend ist aber, ob daraus wirklich Neues entsteht – oder ob nur bereits bekannte Politik leicht verändert fortgeführt wird. Dann wäre der Gewinn gering.

Junge Union bewertet Koaltionsvertrag positiv

Lennart Geibert ist Landeschef der Jungen Union in Thüringen und dort auch im Landtag vertreten. Er gibt dem Koalitionsvertrag eine solide acht von zehn Punkten. Klar, nicht alle Themen konnten aufgenommen werden, sagt er, aber das sei bei Verhandlungen normal. Insgesamt zeigt er sich aber zufrieden: Wichtige Kernthemen der Jungen Union seien berücksichtigt worden und könnten gut umgesetzt werden.

"Der Koaltionsvertrag ist schon eine ganz gute Acht auf einer Skala von zehn Punkten"
Lennart Geibert, Junge Union Thüringen (CDU)

Lennart Geibert bleibt bei seiner Kritik am Sondervermögen und der Grundgesetzänderung – das gehe zu Lasten der jungen Generation. Für ihn kommt es jetzt darauf an, dass dieses Geld auch sinnvoll und zukunftsgerichtet eingesetzt wird.

"Digitalministerium längst überfällig"

Die Koalition habe aber nicht nur klassische Themen wie die Mütterrente aufgenommen, sondern auch neue Punkte gesetzt – etwa bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Die hält Lennart Geibert für sinnvoll. Probleme ließen sich nicht mit Geld zuschütten, sondern müssten strukturell gelöst werden.

Gut findet er auch die geplanten Einsparungen von acht Prozent in der Bundesverwaltung und die Schaffung eines Digitalministeriums, das längst überfällig sei.

"Dass es endlich ein Digitalministerium geben soll, haben Expert*innen schon fast jahrzehntelang gefordert."
Lennart Geibert, Junge Union Thüringen (CDU)

Auch wirtschaftliche Entlastungen begrüßt Lennart Geibert, gerade für junge Gründer. Sein Bruder habe positiv auf die angekündigte degressive Abschreibung reagiert – 30 Prozent in den Jahren 2025 bis 2027. Das helfe konkret. Insgesamt sieht er in dem Vertrag ein gutes Gesamtpaket. Natürlich könne man darin nicht das CDU-Grundsatzprogramm eins zu eins wiederfinden, aber das sei bei einem Kompromiss auch nicht zu erwarten.

"Keine Anlehnung an die AfD"

Der Koalitionsvertrag sei in jedem Fall ein guter Schritt in die richtige Richtung für eine generationengerechte Politik. Lennart Geibert findet aber, dass es noch Verbesserungspotenzial gibt, insbesondere bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge, bei der er sich mehr Maßnahmen vorstellen könnte.

Der Klimaschutz habe im Wahlkampf nicht die größte Rolle gespielt, doch der Politiker meint, dass der Koalitionsvertrag wichtige Punkte in diesem Bereich enthält. Dass wirtschaftliche Schwerpunkte, die Entlastungen für Landwirte oder die Abschaffung des Heizgesetzes, im Koalitionsvertrag weit oben angesiedelt sind, findet er richtig.

"Im Koalitionsvertrag erkennen wir auch die Chance der Migration, auch als Integration von Arbeitskräften. Diese Themen werden sie bei der AfD niemals finden."
Lennart Geibert, Junge Union Thüringen (CDU)

Dass der Koalitionsvertrag beim Thema Migration die Forderungen der AfD übernimmt, weist Lennart Geibert entschieden zurück. Vielmehr würden auch die Chancen der Migration erkannt – vor allem als Möglichkeit zur Integration von Arbeitskräften. Ein Beispiel sei die schnelle Anerkennung von Berufsqualifikationen. Diese Themen, so der Politiker, würden bei der AfD nie zu finden sein.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Künftige Regierung
Schwarz-Rot: Wie viel Neustart kommt jetzt wirklich?
vom 10. April 2025
Moderation: 
Ilka Knigge
Gesprächspartner: 
Volker Finthammer, Korrespondent in Berlin
Gesprächspartner: 
Lennart Geibert, Junge Union Thüringen (CDU)