Die Berichte häufen sich: deutsche Tourist*innen landen in den USA in Abschiebehaft – teils für mehrere Wochen und ohne Begründung, trotz gültiger Papiere. Jetzt hat das Auswärtige Amt seine Reise- und Sicherheitshinweise für USA-Reisen angepasst.
Celine Flad ist Lehramtsstudentin aus Baden-Württemberg. In den Semesterferien wollte sie erst in den USA Urlaub machen, dann in Mexiko einen Verwandten besuchen. Anschließend wollte sie nochmal zurück in die USA für Spring Break, die typischen Party-Frühjahrsferien an US-Unis und -Colleges. Doch die Reise endet schon bei der Ankunft in den USA im Februar – und nicht nur das, Celine landet sogar in Haft.
"Celine wird bei der Passkontrolle rausgezogen, sechs Stunden lang befragt, muss Fotos auf ihrem Handy zeigen, sogar den Privat-Ordner entsperren."
Am Flughafen in New Jersey wird sie trotz gültiger Einreisegenehmigung bei der Passkontrolle herausgezogen. Sechs Stunden lang wird Celine befragt, muss Handybilder zeigen und sogar ihren Privat-Ordner entsperren. Die Beamten haben ihr wohl den Urlaubsgrund nicht abgenommen und sie verdächtigt, dass sie illegal in den USA arbeiten will, vermutet sie.
Ausweisung: mit Hand- und Fußfesseln ins Flugzeug
Nach zwölf Stunden wird Celine in eine Zelle in ein Abschiebegefängnis gebracht, in der sie zwischenzeitlich mit zwei anderen Frauen sitzt. "Eine abgeriegelte Metalltür, man konnte nicht raus, kein Fenster, nur eine Steinbank und Stahlklo", erinnert sie sich.
Nach 24 Stunden dann wird sie in Hand- und Fußfesseln zum Flughafen gebracht. So gefesselt musste sie auch auf die Sicherheitskontrolle warten, während andere Reisende sie anstarrten, erzählt Celine. Selbst beim Rückflug bekommt sie ihr Handy nicht zurück. Eine Mitreisende leiht ihr eines, damit sie ihre Mutter anrufen kann, die über 24 Stunden nichts von ihr gehört hat.
USA: Sechs Wochen Abschiebehaft für eine Tatookünstlerin
Celine kann relativ schnell nach Deutschland zurückkehren, andere Deutschen haben weniger Glück. Am längsten in Abschiebehaft war bisher Jessica Brösche, eine Tatto-Künstlerin aus Berlin, die erst nach Wochen heimreisen konnte.
Laut deutschen und US-amerikanischen Medien wollten Jessica und eine Freundin wohl zu Fuß von Tijuana über die US-mexikanische Grenze gehen. Sie hatte ihre Tätowier-Ausrüstung dabei, und die Beamten warfen ihr vor, bei ihrem letzten Aufenthalt in den USA gearbeitet zu haben. Zudem soll sie angegeben haben, in den USA eine Freundin tätowieren zu wollen.
Kritik an Haftbedingungen
Es stand die Vermutung im Raum, dass Jessica illegal arbeiten wollte. Mit ihrer elektronischen Reisegenehmigung ist Arbeiten in den USA nicht oder nur sehr eingeschränkt erlaubt. Eine Sprecherin der US-Einwanderungsbehörde bestätigte in US-Medien, dass ihre Verhaftung mit der Verletzung der Einreisebedingungen zusammenhänge.
Jessica verbrachte insgesamt sechs Wochen in Abschiebehaft – laut einer Einwanderungsanwältin sei das ungewöhnlich. Normalerweise werde angeboten, den Einreiseantrag zurückzuziehen, um die Rückreise zu ermöglichen. Wie genau es in Jessicas Fall lief, ist unklar, so unsere Reporterin Clara Neubert. Jessica habe zudem behauptet, zeitweise in Einzelhaft gewesen und schlecht behandelt worden zu sein, was die Abschiebeanstalt gegenüber US-Medien zurückwies.
Fehlerhafte Angaben machen verdächtig
Auch Lucas Sielaff saß Wochen in Abschiebehaft. Im Februar wollte er mit seiner US-Verlobten nach einem Mexiko-Trip zurück in die USA. Laut deutschen Medien sagte er fälschlicherweise, er wohne in Las Vegas – das weckte den Verdacht, dass er länger bleiben will als erlaubt. Er verbrachte wohl drei Wochen in Abschiebehaft.
Fabian Schmidt wiederum sitzt aktuell seit über einer Woche in US-Abschiebehaft. Obwohl er eine Greencard hat, wurde er nach einer Luxemburg-Reise bei seiner Rückkehr in Boston festgenommen. Laut seiner Mutter ging es in der Befragung um ein fast zehn Jahre zurückliegendes Drogendelikt. Seine Familie berichtet von schlechter Behandlung, was nicht unabhängig überprüft werden kann.
Probleme bei Einreise in die USA: Ungewöhnlich hohe Zahl von Fällen
Nicht nur Deutsche haben Probleme bei der Einreise in die USA – auch eine Britin und eine Kanadierin saßen wegen Visa-Problemen in Haft. Wer deutsch ist und in die USA reisen will, braucht entweder ein Visum oder die elektronische Reisegenehmigung ESTA. Doch selbst mit ESTA entscheidet letztlich die Grenzbehörde vor Ort, ob die Einreise dann tatsächlich erlaubt wird.
"Es gab immer Fälle, wo es mit der Einreise nicht geklappt hat, wo Menschen länger festgehalten worden sind. Aber in dieser hohen Anzahl ist mir das nicht bekannt."
Zwar gab es solche Fälle in der Vergangenheit auch, aber nicht so viele wie aktuell, sagt Sarah Wagner, stellvertretende Direktorin bei der Atlantischen Akademie Rheinland-Pfalz. Sie arbeitet im Bereich der politischen Bildung und beschäftigt sich intensiv mit den USA und den transatlantischen Beziehungen.
Einwanderungspolitik nach America-First-Ansatz
Donald Trump hat die Einwanderungs- und Einreisebestimmungen seit seinem Amtsantritt als US-Präsident massiv verschärft und Abschiebungen im großen Stil vorangetrieben, erklärt die Politikwissenschaftlerin. Einwanderung war ein zentrales Thema seines Wahlkampfs, das er mit Sicherheit und Chaos verknüpft hat. Sein Versprechen: Migration stark begrenzen und besonders undokumentierte Einreisen verhindern. Das könnte auch aktuelle Einreiseprobleme beeinflussen, meint sie.
Die aktuelle Einwanderungspolitik der USA folge klar dem America-First-Ansatz mit einer exklusiven Definition, wer ins Land gehöre. Immer häufiger geraten selbst Menschen mit einer Greencard oder einer anderen legalen Aufenthaltsgenehmigung in das Visier der Behörden, oder jene, die nur so aussehen wie undokumentierte Einwanderer – also nicht weiße Personen, so Sarah Wagner. Das zeige eine verstärkte Abschottung und einen härteren Kurs bei Einreisen.
Umfragen der New York Times zeigten, dass die Abschiebung straffälliger undokumentierter Einwanderer in den USA breite Unterstützung genießt – etwa zwei Drittel der Bevölkerung befürworten sie demnach, berichtet sie. Allerdings werde es komplizierter, wenn es um Details geht: Die Trennung von Familien oder die Abschiebung von Menschen, die als Kleinkinder kamen, werde deutlich weniger unterstützt.
Unklare Gesetzeslage und fehlende Kontrollfunktion
Die aktuellen Fälle zeigen, wie schnelllebig sich die Situation entwickelt – oft ohne klare rechtliche Prozesse, sagt Sarah Wagner. In den USA gebe es viele Bedenken, da neue Verordnungen erlassen werden, die unklar sind und erst in Arbeitsanweisungen umgesetzt werden müssen. Das ohnehin komplexe Einwanderungssystem sei überfordert. Abschiebungen würden oft ohne Verfahren erfolgen, während Kontrollmechanismen fehlen und teils auf alte Gesetze verwiesen wird.
Vor allem die Grenze zu Mexiko spielt in mehreren Fällen eine Rolle. Donald Trump habe sie im Wahlkampf stark thematisiert, wodurch der Druck dort besonders hoch ist. Die Aufmerksamkeit auf diese Region ist groß, und es scheint, dass Menschen hier schneller in das Einwanderungssystem geraten und sich darin verfangen, so Sarah Wagner. Das sei eine logische Konsequenz der verschärften Einwanderungspolitik.
Auswärtiges Amt passt Reisehinweise für die USA an
Das Auswärtige Amt hat seine Reisehinweise für die USA angepasst. Es warnt nun vor möglichen Festnahmen, Abschiebehaft und Abschiebungen unter bestimmten Bedingungen. Besonders Vorstrafen, falsche Angaben zum Aufenthaltszweck oder auch geringfügige Überschreitungen der Aufenthaltsdauer könnten Probleme bereiten. Es handelt sich nicht um eine Reisewarnung, aber die Entwicklungen werden genau beobachtet.
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