Extrem heiße Sommer nehmen – aufgrund es Klimawandels – zu. Grünpflanzen und Bäume sind essenziell, um die Temperaturen etwas herunter zu kühlen. Nur: Fehlende Konzepte und mangelnde Finanzen sind Gründe, warum Städte bisher nur wenig für mehr Grün tun.

Ende Januar wurde eine Studie veröffentlicht, die das Grün in 93 europäischen Städten untersucht hat. Gearbeitet wurde mit Daten aus dem Jahr 2015. Ergebnis: Insgesamt waren 6.700 frühzeitige Todesfälle in dem Jahr auf die deutlich höheren Temperaturen in den Städten (im Vergleich zum kühleren Umland) zurückzuführen.

Wären 30 Prozent der Stadtflächen mit schattenspendenden Bäumen bepflanzt gewesen, wäre die Sterblichkeit um ein Drittel geringer ausgefallen, so die Autor*innen der Studie – also über 2.200 Menschenleben hätte man, allein durch mehr Bäume, verlängern können. Das Problem: Es werden nicht mehr Bäume. Im Gegenteil. In den letzten Jahren ist die Anzahl der Stadtbäume global gesehen gesunken. Städte werden immer mehr zu urbanen Hitzeinseln.

Klimawandel, Globalisierung, Platzmangel

In Deutschland ist der Baumbestand gefährdet. Dafür gibt es mehrere Gründe:

  1. Der Klimawandel: Je wärmer es wird, umso schwerer haben es die Bäume. Mehr Bäume in der Stadt würden also auch den Baumbestand selbst schützen. Bei Neupflanzungen wird deshalb mittlerweile auf robustere Klimabäume gesetzt, die besser mit Hitze und wenig Wasser auskommen.
  2. Die Globalisierung: Dadurch kommen neue Schädlinge zu uns, auf die sich die Pflanzen und Bäume oft nicht schnell genug einstellen können.
  3. Der Mensch: Nach wie vor werden Bäume gefällt, weil man den Platz braucht, um dort zum Beispiel neue Wohnungen oder Gewerbeimmobilien zu bauen.

Die Baumsachverständige Daniela Antoni, die unter anderem das Portal "Baumkontrolle im Netz" betreibt, ist froh um jeden Stadtbaum, der nicht gefällt wird.

"Ein alter Stadtbaum ersetzt ungefähr 400 Neupflanzungen. Mehr Bäume sind wichtig, aber vor allem ist der Baumerhalt der bisherigen wichtig."
Daniela Antoni, Baumsachverständige

Denn vor allem der Erhalt der bestehenden Bäume sei wichtig: Ein alter Stadtbaum ersetzt ungefähr 400 Neupflanzungen! Das bedeutet: Wenn ein alter Stadtbaum gefällt wird, dann muss nicht nur ein bisschen, sondern sehr viel neu gepflanzt werden.

Jungbäume brauchen Zeit

Das liegt unter anderem daran, dass Jungbäume erst mal CO2 produzieren, bevor sie dann nach einigen Jahren eine positive Klimabilanz haben. Und es dauert natürlich auch eine ganze Weile, bis sie so groß sind, dass sie Schatten und Kühle spenden.

Wenn man das alles weiß, fragt man sich allerdings erst Recht, warum dann nicht quasi gestern Unmengen neuer Bäume gepflanzt wurden? Und warum die alten nicht besser geschützt werden?

Zwei Probleme: Platz und Geld

Die meisten großen Städte in Deutschland haben Baumschutzsatzungen. Die sind wichtig für den Erhalt des Baumbestandes. Trotzdem werden immer wieder Bäume gefällt, zum Beispiel weil der Neubau von Immobilien als wichtiger gewertet wird.

Als Ausgleich sollen dann neue Bäume gepflanzt werden, doch dabei gibt es vor allem zwei große Probleme: Der passende Ort und das nötige Geld für die teuren Jungbäume.

"Manche Standorte sind entweder so verdichtet oder haben einen so hohen Schadstoffeintrag im Boden, dass eine Stadt schnell in die Bredouille kommt, weil sie nicht weiß, wo sie neue Bäume pflanzen soll."
Daniela Antoni, Baumsachverständige

Manche Städte sind einfach zu dicht bebaut, um ausreichend neue Grünflächen zu schaffen – oder es wurden Schadstoffe im Boden nachgewiesen, erklärt Daniela Antoni. Wenn ein geeigneter Platz gefunden ist, heißt das aber nicht, dass eine Stadt oder Kommune auch genug Geld für die Neupflanzungen zur Verfügung hat.

Viele Städte würden bereits nachpflanzen, was möglich ist, sagt die Baumsachverständige. So ein Jungbaum koste aber tatsächlich auch viel Geld: Vierstellige Beträge fallen in den ersten Jahren an. Das Geld müsse eine Stadt oder Kommune erstmal aufbringen.

Tempo erhöhen bei Bäumen, Fassaden- und Dachbegrünung

Das Tempo müsste allerdings trotzdem deutlich erhöht werden – und zwar nicht nur, was die Stadtbäume, sondern auch, was die Fassaden- und Dachbegrünung betrifft. "Groß denken und an den Klimawandel anpassen" sei hier die Devise, sagt Daniela Antoni.

Eigentlich brauchen Städte ein komplettes Klimakonzept. Viele haben das begriffen und steuern immerhin in die richtige Richtung.

  • Neben mehr Bäumen und Grünflächen, mehr Fassaden- und Dachbegrünung müssten generell auch mehr Flächen entsiegelt werden: Stein und Beton reflektieren und speichern nämlich die Wärme und nehmen – im Gegensatz zu entsiegelten Flächen – kein Wasser auf. Großes Problem bei Starkregenfällen. Stichwort: Schwammstadt.
  • Auch Autos sind ein Problem: Wenn sie in der Sonne herumstehen, speichern sie die Wärme und geben sie auch wieder an die Umgebung ab. Außerdem sind natürlich die Abgase ein Problem für die Bäume.
"Paris, Skandinavien, Niederlande… die sind viel, viel weiter als Deutschland – und da müssen wir auch hin."
Daniela Antoni, Baumsachverständige

Ein bisschen was passiert bereits in Deutschland, sagt Daniela Antoni. Meistens seien das aber bisher nur Pilotprojekte. Vorbild sein könnten die Pläne in Paris (Grünstreifen auf Autobahn, weltgrößtes Urban-Farming-Projekt), in Skandinavien oder den Niederlanden. Dort sei man bedeutend weiter als hier.

Shownotes
Klima
Warum in Städten nicht mehr Bäume gepflanzt werden
vom 23. Juni 2023
Moderation: 
Diane Hielscher
Gesprächspartner: 
Sebastian Sonntag, Deutschlandfunk Nova