Extreme Hitze, Dürre, Sturm, Starkregen oder Überschwemmung - extreme Wetterereignisse mit verheerenden Folgen haben in den vergangenen Jahren zugenommen, bei uns und weltweit. Während die einen die Schuld beim menschengemachten Klimawandel sehen, sagen die anderen: So was gab es schon immer! – Beide Seiten haben recht. Erst seit einigen Jahren ist es Wissenschaftlern aber möglich, zwischen menschengemachten und natürlichen Extremwetterereignissen zu unterscheiden. Wie das funktioniert, erklärt die in diesem Feld führende Klimaforscherin Friederike Otto.
Wer oder was ist schuld? Das ist die große Frage, wenn wildes Wetter Menschenleben kostet, Infrastrukturen zerstört oder gar ganze Landstriche verschwinden lässt. Denn zu unterscheiden, ob ein verheerender Sturm zum Beispiel Folge des Klimawandels ist oder die Betroffenen einfach nur Pech hatten, ist schwierig. Diese Frage zu beantworten, ist aber nicht nur deshalb wichtig, weil wir verstehen müssen, welche Folgen unsere Lebensweise für uns, für andere und für unseren Planeten als Ganzes hat.
Zuordnungswissenschaft klärt Einfluss des Klimawandels auf Extremwetter
Sie ist auch von Bedeutung, weil wir kurzfristig vorbeugen können, wenn eben nicht der Klimawandel, sondern andere Faktoren für die Ereignisse verantwortlich sind. Beispiel: Einer Dürre, die durch den globalen Temperaturanstieg verursacht ist, wären die Betroffenen ziemlich hilflos ausgeliefert. Eine Dürre aber, die etwa durch falsche Bodennutzung verursacht wurde, ließe sich vermeiden.
"Alle Extremwetterereignisse finden in einem veränderten Klima statt, also hat der Klimawandel sie auch beeinflusst. Das sagt aber noch nichts darüber aus, wie sie denn beeinflusst wurden."
Die Ursachen von Extremwetterereignissen zu klären, ist das Ziel einer gerade mal rund fünf Jahre alten wissenschaftlichen Disziplin: der „Zuordnungswissenschaft“ aka „Attribution Science“. Ganz vereinfacht gesagt vergleicht die Zunft mögliches Wetter heute mit möglichem Wetter in einer Welt, wie sie ohne menschengemachten Klimawandel gewesen wäre. Dafür rekonstruieren die Forscher den Ablauf eines Extremwetterereignisses, indem sie ausgewerteten Wetterdaten Wettersimulationen aus komplexen Klima- und Wettermodellen gegenüberstellen. Aussagen über aktuelles Wetter treffen zu können – das kommt in der Klimawissenschaft einer Revolution gleich.
"Klimawandel macht nicht jedes Extremwettereignis extremer oder intensiver."
Die Physikerin Friederike Otto ist eine der Mitbegründerinnen und wichtigsten Köpfe der Zunft. Ihr Ziel: Unser aller Unwissen, den Beschwichtigungen von Klimaskeptikern und dem Alarmismus von Umweltaktivisten zeitnah belastbare Fakten entgegensetzen und so Klarheit zu schaffen.
Die Schuldigen am neuen Wetter zur Rechenschaft ziehen
Außerdem hofft sie, dass die Forschungsergebnisse die Klimawandel-Debatte beeinflussen, uns besser auf ein verändertes Klima vorbereiten und möglicherweise sogar dabei helfen, die Verantwortlichen für das veränderte Wetter zur Rechenschaft zu ziehen. Im Hörsaal-Vortrag erklärt sie, wie genau die Zuordnungsforschung funktioniert – und wo ihre Methoden noch Lücken haben.
"Was sich jetzt geändert hat, ist, dass man zu einzelnen Wetterereignissen sagen kann: Was hat der Klimawandel für einen Einfluss auf dieses Ereignis?"
Friederike "Fredi" Otto ist Geschäftsführende Direktorin des Environmental Change Institute Oxford sowie Professorin des Global Climate Science Programms an der Universität Oxford. Sie ist eine der führenden Wissenschaftlerinnen in der Zuordnungswissenschaft und wirkt am nächsten Bericht des Weltklimarats IPCC mit. Am 9. April 2019 hat sie für die Experimenta Heilbronn im Rahmen der Robert-Mayer-Lecture erstmals auf Deutsch zum Thema vorgetragen.