Kurz vor der Europawahl rufen Fridays for Future zum Klimastreik auf. Auch Luisa Neubauer ist dabei. Sie befürchtet einen Rechtsruck. Welche Folgen hätte das fürs Klima?
Sie waren die Gewinner*innen bei der letzten Europawahl 2019: die Grünen. In Deutschland wurden sie zweitstärkste Kraft nach der CDU. Und Klimaschutz war plötzlich Top-Thema – europaweit und sogar bei den konservativen Parteien.
Politische Krisen verdrängen Klimathema
Bei der nun anstehenden Europawahl am 9. Juni 2024 sieht es anders aus. Das Klimathema ist laut ARD Deutschlandtrend durch Friedenssicherung, soziale Sicherheit und Zuwanderung verdrängt worden. Und wie wirkt sich so eine Schwerpunktverschiebung auf die Umfragewerte der Grünen aus? Laut ARD-Deutschlandtrend könnten die Grünen wie 2019 zweitstärkste Kraft werden, allerdings sichtlich an Prozentpunkten verlieren.
Die bekannteste Klimaaktivistin Deutschlands und Vertreterin der Fridays for Future Luisa Neubauer bekommt angesichts dieser Zahlen derzeit oft mitleidige Blicke und Kommentare ab. Mitleid, entgegnet sie im Gespräch mit Deutschlandfunk-Nova, ist aber nicht das, was sie will. Sie will aktivieren. Dass Menschen sich gegen Rechtsextremismus und pro Menschenrechte stark machen, haben sie laut Luisa Neubauer bereits bei den großen Protesten Anfang 2024 gezeigt.
"Große Proteste vor Wahlen können die Wahlbeteiligung signifikant steigern. Und das ist etwas, was Nazis hassen."
"Regulierungspause" in Sachen Klima
Dennoch sind die Parteien in Brüssel was Klimathemen angeht im Vergleich zur letzten Europawahl defensiver geworden, beobachtet Brüsselkorrespondentin Carolin Born. Immer wieder ist von "Regulierungspause" zu hören.
Zwar wird klimatechnisch nicht zurückgerudert, so Carolin Born, aber man versucht zweigleisig zu fahren. In Deutschland halten CDU und CSU einerseits am sogenannten Green Deal fest, also dass Europa bis 2050 klimaneutral werden soll. Andererseits wird betont, dass es bei allen Maßnahmen wichtig sei, der Wirtschaft entgegenzukommen. Die Forderung geht sogar so weit, das für 2035 geplante Verbrenneraus rückgängig zu machen. Stand jetzt (31.5.2024) ist sie aber gefloppt.
Wenn Klimathemen also schon vor der Europawahl an Wichtigkeit verlieren, wie würde sich dann ein noch stärkerer Einfluss rechtspopulistischer und rechtsextremer Parteien im Europäischen Parlament, wonach es laut Umfragen aussieht, auf das Verabschieden von Klimagesetzen auswirken?
"Bezogen auf das Verbrenneraus spricht die AfD sogar von einer Deindustrialisierung Deutschlands."
Carolin Born sieht in stärkeren rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien keine zu große Drohkulisse. Ja, Gesetze könnten verwässert oder verzögert werden. Die konservativen, sozialdemokratischen, liberalen und grünen Stimmen hätten aber immer noch genug Sitze im Parlament.
Zwischen Sorge und Hoffnung
Luisa Neubauer schätzt die Auswirkungen ganz anders ein. Echter, gerechter Klimaschutz widerspricht den Ideologien dieser Parteien zu hundert Prozent, sagt sie. Denn es bedeutet, dass alle Menschen über Ländergrenzen hinweg besser vor Katastrophen geschützt würden. Und das passe natürlich nicht in ein faschistisches Weltbild.
"Im schlimmsten Fall gewinnen die Rechten so sehr, dass es in Zukunft deutlich schwerer sein wird, für echten, gerechten Klimaschutz einzustehen."
Gleichzeitig ist sie überzeugt, dass Menschen nicht auf Dauer ignorieren können, dass "die Welt aus allen Angeln fällt". "Das Saarland ist geflutet. Die Menschen in Panama verlieren ihr Zuhause, weil eine Insel tatsächlich untergeht."
Und Luisa Neubauer schöpft Hoffnung und Antrieb aus den Dingen, die die Klimaschutzbewegung bereits erreicht hat: Von der inzwischen in Cafés und Kühlschränken selbstverständlichen Hafermilch über mehr Rechte für Radfahrer*innen bis hin zum deutschen Kohleausstieg, der bis vor wenigen Jahren noch undenkbar schien.
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