Klassische Musik ist vollkommen sinnlos. Wer sie hört, ist ein spießiger Bildungsbürger, und wer sie produziert, nichts anderes als ein Pornostar - satt geschminkt oder perfekt aufgebrezelt die Geigerin genauso wie der Cellist. Nur um auf Facebook gegen sein schwindendes Publikum anzukämpfen. Angesichts dieser Thesen des mehrfach ausgezeichneten Komponisten Moritz Eggert besteht kaum noch Hoffnung, die klassische Musik zu retten - sagt er.
Und das, obwohl Moritz Eggert die Klassiker eigentlich liebt: Das C-Dur-Streichquintett von Schubert etwa oder Beethovens Neunte. Aber, was hat der Konzertbetrieb aus ihnen gemacht, fragt er sich. Seit 300 Jahren würden die Klassiker in allerhöchster Perfektion in den Konzertsälen einbalsamiert, sprich nicht mehr weiterentwickelt. Ganz anders die Literatur, in der ein Goethe auch weiterhin verändert, verfilmt und verrappt werde.
Während Goethe auf diese Weise quicklebendig und allgemein verständlich gehalten werde, müssten angehende Musiker des klassischen Konzertbetriebes wie dressierte Pferdchen bei den Juroren vortanzen, um brav ihre immergleichen Interpretationen vorzuführen.
"Mit jedem neuen internationalen kleinen Klavierwettbewerb in der Toscana stirbt die klassische Musik."
Die hunderte Jahre alten hochgeistigen Schöpfungen könnten nur noch verstanden werden, wenn man sie mit Neuem füllt, ist Eggert überzeugt. Als Beispiel führt er die alljährlichen Wagner-Festspiele in Bayreuth an.
Wer befreit die klassische Musik aus dem Dornröschenschlaf?
Immer denselben Wagner zu spielen, tue dem Komponisten gar nicht gut. Starker Tobak, den Eggert dem Bayreuther Leitungsgremium da entgegenschleudert: Wagner werde selbst von den dort Verantwortlichen nicht mehr verstanden.
"Und wenn dann noch André Rieu und David Garrett hinzukommen, wird es eine richtige Leichenschändung, denn diese vergewaltigen die Klassiker."
Moritz Eggert ist Professor für Komposition an der Münchner Hochschule für Musik und Theater. 2006 hat er den Soundtrack für die Eröffnungszeremonie der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland geliefert.
Er ist ein mehrfach ausgezeichneter Musiker und hat als erster Pianist überhaupt Hans Werner Henzes Gesamtwerk für Klavier solo an einem Abend gespielt. Eggert hat zudem sieben abendfüllende Opern geschrieben.
Sein Vortrag trägt den Titel: "Vorbereitung der Atopie - ein Vortrag in sechs Teilen". Am 22.4.2016 hat er sich an der Akademie der Wissenschaften und der Literatur in Mainz mit den Möglichkeiten befasst, wie den Klassikern auch im 21. Jahrhundert neues Leben eingehaucht werden könnte.
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