Kim bekommt mit Ende 20 die Diagnose Brustkrebs. Da ist sie schon eine erfolgreiche Bloggerin und Instagramerin. Unter dem Namen Kimspiriert schreibt sie fortan über ihren Kampf gegen den Krebs - bis sie Silvester 2017 stirbt. Ihr Blog und ihr Instagramprofil bleiben bestehen. Für Kims Familie und ihre Follower, die kimscrew, ist das ein Teil der Trauerbewältigung.
Der letzte Post auf Kims Instagramprofil ist vom 1. Januar 2018. Ein Schwarz-Weiß-Bild von Kim, die herausforderndend in die Kamera blickt. Darunter steht: "Mit tiefer Trauer müssen wir, die Freunde und Familie von Kim, euch lieben Menschen da draußen mitteilen, dass sie den schweren Kampf gegen den Krebs heute Nacht verloren hat."
Trauer auf Instagram nach Kims Tod
Unter dem Bild kommentieren Kims Follower, die sich selbst liebevoll die #kimscrew genannt haben. Sie schreiben, wie traurig sie sind, dass sie Kim vermissen, dass sie weiterhin jeden Tag auf Kims Profil schauen. Mit diesen Worten drücken sie ihre Trauer für Kim aus, obwohl viele dieser Menschen Kim nie getroffen haben.
Trotzdem ist sie ihnen ans Herz gewachsen, mit offenen, kämpferischen und oft sehr eindringlichen Posts wie: "Ich verlasse die Wohnung maximal zur Bestrahlung oder Lymphdrainage, schaffe es höchstens alle 2-3 Tage unter die Dusche, kenne alles und jeden auf Netflix auswendig und wundere mich, dass die Decke in der Wohnung noch kein Loch hat von meinen durchbohrenden Blicken."
Kim hat in ihren Posts ihre Krankheit sehr detailliert dokumentiert. Ihre Follower haben deshalb das Gefühl, dass sie Teil von Kims Kampf gegen den Krebs waren. Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Ann-Kristin Pott hat darüber mit Anna und Diana gesprochen. Anna fühlt sich auch noch Wochen nach Kims Tod sehr mitgenommen. "Ich bin selbst verwundert darüber, was es in mir ausgelöst hat, weil ich ja keinen persönlichen Kontakt zu Kim hatte", sagt Anna.
Kims Tod war für ihre Follower ein Schock
Und Diana erzählt, dass sie in dem Moment, in dem sie die Todesnachricht bekommen hat, geschockt war. "Als ich die Nachricht gelesen habe, ist bei mir alles stehen geblieben, das war total unreal, weil keiner gedacht hat, dass es so kommt. Es gab keine Sekunde, wo sie gezweifelt hat, dass sie das schafft oder dass sie den Krebs besiegen kann."
Obwohl Anna und Diana Kim gar nicht kannten, trotzdem geht ihnen ihr Tod so nahe wie der Tod einer guten Freundin. Das liegt daran, dass ihre Follower eine fast soziale Beziehung zu Kim hatten. Der Soziologe Thorsten Benkel von der Uni Passau nennt das eine "parasoziale Beziehung". "Das ist keine vollständige Beziehung, wie man sie im Alltag hat, sondern eher eine einseitige Sache."
Kims Post waren sehr persönlich, sie hat ihre Mutter gezeigt und über ihren Freund geschrieben. Ihre Follower kennen kleine Details aus ihrer Wohnung, die sie auf ihren Fotos gezeigt hat. So entsteht ein Gefühl von großer Nähe, wie sie auch Diana gefühlt hat. Manchmal hat sie sogar von Kim geträumt. "Das zeigt, dass es in mir arbeitet, weil es sich so anfühlt, als würde ich diese Person persönlich kennen, obwohl diese Person ja gar nichts von meiner Existenz weiß."
"Ich habe so viel mitbekommen und gesehen und gelesen, dass ich mich auch irgendwo dafür bedanken möchte, wie sie uns hat teilhaben lassen."
Und wahrscheinlich hat auch Kim von den Kommentaren ihrer Follower profitiert. Sie haben Kim immer ermutigt, ihr Glück gewünscht und ihr gesagt, dass sie sich sicher sind, dass Kim den Krebs besiegen wird.
Dass Kims Instagramprofil und auch ihr Blog nach ihrem Tod weiter bestehen bleiben, war der Wunsch von Kims Familie. Kims Mutter Inken sagt, dass ihr genau das bei der Trauer um ihre geliebte Tochter hilft: Die Worte von tausenden von wildfremden Menschen, die der Tod von Kim berührt. "Für mich persönlich ist diese Art von Trauerzulassen und sich Hilfe holen perfekt", sagt Kims Mutter.
"Es hilft mir ungemein, wenn tausende wildfremde Menschen, mir so Nahe kommen und mir so unter die Haut gehen mit ihren Worten. Da bin ich zutiefst berührt."
Die Zukunft des Trauerns
Der Soziologe Thorsten Benkel sieht darin einen Wandel des Trauerns: Früher waren Sterben, Tod und Trauer sehr eng mit der Leiche verkuppelt. Das hat sich mittlerweile geändert, die Leiche ist fast schon unsichtbar. Was aber bleibt, ist der virtuelle Kontakt mit dem Verstorbenen. "Der kann post mortem unter bestimmten Bedingungen noch aufrecht erhalten werden", sagt Thorsten Benkel.
"Das kann die Zukunft des Trauern sein, dass der Verstorbene immer noch ein bisschen bleibt."