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Gerade sitzen über 2.600 Afghanen in Pakistan fest. Ihre Hoffnung: Sicherheit in Deutschland – die wurde ihnen fest zugesagt. Auch Bahara ist geflüchtet und weiß, wie gefährlich die Taliban sind. Die CDU will die Hilfe sofort stoppen, die SPD nicht.

Mit dem 23. August 2021 ändert sich das Leben für die Menschen in Afghanistan schlagartig. Das militant-islamistische Regime ist zurück. Menschenrechte und vor allem die Rechte der Frauen und Mädchen sind wie aufgehoben.

Zusage: Sicherheit in Deutschland

Menschen, die in den Bereichen Bildung, Kunst, Politik gearbeitet oder sich für eine demokratische Gesellschaft engagiert haben, müssen um ihr Leben bangen. Darunter sind Menschen, die mitunter zwei Jahrzehnte lang für internationale Organisationen gearbeitet haben.

Deutschland sagt damals zu, gefährdete Afghaninnen und Afghanen über verschiedene freiwillige Aufnahmeprogramme nach Deutschland kommen zu lassen. Darunter sind ehemalige afghanische Ortskräfte, die für die Bundeswehr gearbeitet haben und ihre Familienangehörigen aber auch Menschen, die sich für Demokratie eingesetzt haben.

Die Ausreiseflüge laufen schleppend bis chaotisch an, doch bis zum Frühjahr 2024 fliehen rund 36.000 von 38.100 Menschen, die eine Zusage bekommen hatten, nach Deutschland. Darunter ist Bahara.

Als Juristin in Afghanistan besonders gefährdet

Sie ist 27 Jahre alt und lebt seit Oktober 2021 in Deutschland. Bahara hat in Afghanistan Jura studiert und für den afghanischen Ableger einer deutschen Hilfsorganisation gearbeitet. (Um sie und andere zu schützen, nennen wir weder ihren Nachnamen noch den Namen der Organisation, für die sie gearbeitet hat.)

In ihrem Heimatland hat Bahara Frauen rechtlich beraten. Später wollte sie Richterin werden. Doch nach der Machtergreifung durch die Taliban wird Bahara verboten zu arbeiten – weil sie eine Frau ist. Aufgrund ihres Berufes ist sie besonders gefährdet.

"Unter den Taliban durfte ich nicht mehr arbeiten, sondern musste zu Hause bleiben. Auch dort hatte ich Angst, dass sie plötzlich kommen, um mich umzubringen."
Bahara, afghanische Menschenrechtsaktivistin

Die diversen Aufnahmeprogramme, die Deutschland 2021 geschaffen hat, tragen alle den Zusatz "freiwillig" im Namen. Doch das bedeutet nicht, dass sie nach Belieben abgeschafft werden können, erklärt Gudula Geuther. Als Deutschlandfunk-Hauptstadtkorrespondentin befasst sie sich mit Rechts- und Innenpolitik und damit mit Migration.

2.600 Menschen warten in Pakistan auf Flug nach Deutschland

Doch genau das wurde nun getan: In denen kommenden zwei Wochen, also bis Anfang Mai 2025, sollen keine Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland eingeflogen werden. Das entspricht so ziemlich genau dem Zeitraum, bis die neue Bundesregierung sehr wahrscheinlich unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU/CSU) im Amt ist.

Friedrich Merz selbst hatte während des Bundestagswahlkampfs gesagt, dass es "wahnsinnig" sei, Menschen über diese Programme einfliegen zu lassen. Die Frage lautet nun also, ob die rund 2.600 Menschen, die bereits eine Zusage für eine Aufnahme bekommen haben und in Pakistan warten, unter Merz die Möglichkeit bekommen werden, nach Deutschland zu kommen.

"Die Menschen haben Zusagen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge erhalten. Da kann man nicht als Politiker hingehen und sagen: Ich habe da keine Lust darauf."
Gudula Geuther, Deutschlandfunk-Hauptstadtkorrespondentin

Angesichts dieses Zahlenverhältnisses bezeichnet die Journalistin die aktuelle Debatte als verzerrt. In dem Zusammenhang will sie auch die Behauptung von CDU-Politiker Jens Spahn nicht gelten lassen. Er hatte gesagt: "Jeder Flieger aus Afghanistan ist ein stärkeres AfD-Unterstützungsprogramm, als es jeder Vorsitzenden irgendeinem Ausschuss sein könnte."

Gudula Geuther hält dagegen: Anstatt bei Kampagnen und Falschinformationen mit einzusteigen, sei es ratsamer, für Aufklärung zu sorgen und sich an rechtliche Vorgaben zu halten.

Politischer Richtungswechsel macht Bahara Angst

Dennoch steht nach aktuellem Stand (24. April 2024) fest: Es werden erst einmal keine Flieger mit Afghaninnen und Afghanen in Deutschland landen. Das bedeutet auch, dass Baharas Mutter, der eine Ausreise nach Deutschland zugesagt wurde, nicht kommen wird. Wenn Bahara davon erzählt, kämpft sie hörbar mit den Tränen. Sie macht sich große Sorgen.

"Ich hoffe, dass niemand solche Erfahrungen machen muss wie ich – dass man selbst in Deutschland ist und die Familie in Afghanistan."
Bahara, afghanische Menschenrechtsaktivistin

Bahara sagt auch, dass die Stimmung in Deutschland und der politische Richtungswechsel an ihr nagen. Die Mühe, die Ausländer sich geben, um sich in einem neuen Land zurechtzufinden und zu integrieren, würde nicht gesehen, so ihre Wahrnehmung. Und wenn es politisch so weitergeht, fürchtet Bahara, werde vielleicht auch sie irgendwann nicht mehr in Deutschland erwünscht sein.

Sie hat dennoch beschlossen, sich weiter zu engagieren und, wie sie sagt, Positives in die Gesellschaft zu tragen. Das habe sie trotz Widrigkeiten in Afghanistan gemacht. Und davon will sie sich auch jetzt nicht abbringen lassen.

Ihr habt Anregungen, Wünsche, Themenideen? Dann schreibt uns an Info@deutschlandfunknova.de

Shownotes
Trotz Zusicherung
Keine Afghanistan-Flüge mehr? Was das für die Ortskräfte bedeutet
vom 23. April 2025
Moderatoin: 
Rahel Klein
Gesprächspartnerin: 
Gudula Geuther, Deutschlandfunk-Hauptstadtkorrespondentin
Gesprächspartnerin: 
​Bahara, afghanische Menschenrechtsaktivistin