Die von nebenan machen es, die von gegenüber auch. Wenn Kehrwoche ist, macht jeder mit - freiwillig.
Menschen tun Dinge, weil sie sie tun wollen oder weil sie müssen. Und manchmal tun sie auch Dinge, weil sie wissen oder meinen, dass andere das von ihnen erwarten. Wenn die Nachbarn also von uns erwarten, dass wir die Treppe kehren und es sanktionieren, falls wir es mal vergessen, dann ist das ganz klar soziale Kontrolle.
Sauberkeit als Bürgerpflicht
Im Schwabenland ist die Kehrwoche Institution und Bastion zugleich. An ihr kommt niemand so leicht vorbei. Auch die Zugezogenen nicht. Das ging auch Stephanie Schwarz so. Sie ist vor 20 Jahren von Mainz nach Esslingen in der Nähe von Stuttgart gezogen. Sie hat unserem Reporter Stephan Beuting erklärt, was sich in der Kehrwoche so abspielt: "Es gibt die große und die kleine Kehrwoche. Die große ist draußen vorm Haus. Und wenn das Kehr-Schild an deiner Türe hängt, musst du kehren. Danach erst, darfst du es weiterhängen." Der normale Turnus ist einmal die Woche.
"Die haben sogar den Gehsteig feucht gewischt."
Im 15. Jahrhundert wurde die Kehrwoche eingeführt. Damit die Stadt sauber blieb, sollte jeder seinen Dreck selbst und regelmäßig wegräumen. Diese Bürgerpflicht zur Sauberkeit wurde sogar bis 1988 in der Kommunalen Ordnung geregelt. Dann wurde sie offiziell abgeschafft - aber nur offiziell.
Jetzt haben sich Wissenschaftler mit dem Phänomen der Kehrwoche beschäftigt. Daniel Rölle von der Universität Speyer findet, dass sich die gesellschaftliche Ordnung, Regeln und soziale Kontrolle, rund um die Kehrwoche wunderbar analysieren lassen. Deshalb hat er mit Studenten die Umfrage "Who kehrs?" gestartet. Mit der Umfrage wollen die Forscher herausfinden, warum auch 30 Jahre nach der Abschaffung der Kehrpflicht noch kräftig die Bordsteine geschrubbt werden.
"Wir bekamen Bilder zugeschickt, mit Namensschild: dieser Nachbar kehrt nicht ordentlich."
Das bisherige Ergebnis der Umfrage: Riesenzustimmung. Abgesehen von kleinen Denunziationen der Nichtkehrer, sind die meisten Schwaben scheinbar ganz happy, mit ihrem sozialen Kontrollsystem. Was für außenstehende furchtbar klingt, scheint dort halt gut zu funktionieren.