Karlheinz Gärtner war 44 Jahre Polizist in Berlin-Neukölln. Dass es in den letzten Jahren am 1. Mai ruhiger geworden ist, ist für ihn eher ein schwacher Trost. Er sagt, der Respekt vor der Polizei sinke, der Umgang werde rauer.
Seit 30 Jahren ist Berlin vom Oranienplatz in Kreuzberg bis zur Hasenheide in Neukölln Schauplatz von Ausschreitungen voller Gewalt. Als 1987 zum ersten Mal die Krawalle ausbrachen, war auch Karlheinz Gärtner dabei.
Der 1. Mai als Polizist
Mehr als 40 Jahre hat er als Polizist und Zivilfahnder in Berlin-Neukölln gearbeitet. Er sagt: Das große Problem damals war, dass viel zu wenige Polizisten im Einsatz waren. Für den inzwischen pensionierten Hauptkommissar ein eindrückliches Erlebnis.
"1. Mai 1987: Damals wurde rund um die Oranienstraße geplündert, wurden Feuer entzündet, Polizeibeamte massiv angegriffen. Das ging los um 16 Uhr bis zum nächsten Morgen um 9 Uhr."
Heute sieht das anders aus. In diesem Jahr ist ein Polizeiaufgebot von 5400 Mann bestellt, um die verschiedenen Demonstrationen in der Stadt zu schützen. Außerdem findet seit 2003 das Myfest statt, organisiert von Anwohner-Initiativen, um den Zusammenhalt im Kiez zu stärken und der Gewalt eine friedliche Feier entgegenzusetzen. Hier sind zehntausende Menschen im Viertel unterwegs.
Auf den ersten Blick habe die Gewalt am 1. Mai in den letzten Jahren abgenommen, sagt Karlheinz Gärtner. "Das sind nicht mehr die Menschenmassen wie damals", sagt er. Angriffe auf die Polizei gäbe es aber nach wie vor, nur würden Gewaltbereite heute anders vorgehen und sich eher kleine Gruppen von Polizisten vornehmen.
Polizistenalltag ist viel gefährlicher
Den größeren Frust und die größere Bedrohung sieht Karlheinz Gärtner allerdings im Polizeialltag auf Berlins Straßen. Der Umgang sei verrohrter geworden, Respekt gegenüber Polizei und Rettungskräften sei gesunken, Gewalt gegen Einsatzkräfte nähme zu.
Als Beispiel führt er an, wie heute Überfälle immer wieder abliefen: "Auch früher wurde Gewalt angewendet, um an die Beute zu kommen. Aber dass Leute, nachdem sie die Beute haben, nochmal zustechen, da ist die Gewaltschwelle wesentlich niedriger geworden."
"Jeder selbst muss sich ein bisschen ändern. Versuchen mehr Zivilcourage zu zeigen und nicht so selbstsüchtig durch die Gegend zu gehen."
Es gibt Trainings in der Polizeiausbildung, die die Polizisten physisch und psychisch vorbereiten sollen. Trotzdem: "Auf diese rohe Gewalt kann man sich nicht vorbereiten", sagt Karlheinz Gärtner. Gegen die Angst, sagt er, die auch ihn bei der nächtlichen Streife begleitete, haben ihm viele Einsätze, Routine und vor allem die Auseinandersetzung mit den Kollegen geholfen.
Auch wenn er längst nicht mehr im Dienst ist, lässt ihn das Thema nicht los. Er hat zwei Bücher über den Polizeialltag geschrieben. Für den 1. Mai wünscht er sich: "Ich hoffe ja, dass es irgendwann mal dazu kommt, dass es endgültig ruhig wird."