Es ist schmerzhaft, aber es ist Tradition: In Kamerun erhitzen Mütter Gegenstände wie Bambusholz, um sie auf die heranwachsenden Brüste ihrer Töchter zu legen. Aus Sicht der Mütter ist das keine Strafe, sondern Schutz.
Mindestens jedes zehnte Mädchen in Kamerun muss diese schmerzhafte Prozedur über sich ergehen lassen – meist mehrmals täglich. Im Verborgenen. Die Mütter machen Gegenstände über der Feuerstelle heiß, mal sind es Bambushölzer, mal sind es Steine, und drücken oder streifen sie über ihre Brüste. Damit wird begonnen, wenn die Brüste der jungen Mädchen anfangen zu wachsen – manche sind da erst neun Jahre alt.
Mütter wollen Töchter vor sexuellen Übergriffen schützen
Eine Mutter sagt, die Brüste sollen dahin, wo sie herkommen: Die Mütter in Kamerun wollen nicht, dass ihre Töchter schon zu Frauen werden. Sie wollen die Töchter vor sexuellen Übergriffen durch andere Männer schützen. Meist haben sie selbst sexuelle Gewalterfahrungen gemacht.
Die meisten Mütter verstümmeln die Brüste ihrer Töchter auch einfach, weil es Tradition ist – weil ihre eigenen Mütter es auch mit ihnen gemacht haben.
Verstümmeln der Brüste führt zu Verletzungen und Traumata
Für die Kinder ist die Bearbeitung ihrer Haut und ihrer Brustwarzen mit glühenden Gegenständen nicht nur schmerzhaft, sondern auch traumatisch. Viele berichten von Spätfolgen wie juckender Haut, Verbrennungen und Verformungen, oder dass sie ihre Kinder nicht stillen können. Umso überraschter ist Reporterin Lisa McMinn, wie klaglos sie es über sich ergehen lassen. Lisa McMinn selbst war sehr nervös, als sie dabei zuschaute, aber das zehn Jahre alte Mädchen saß still da und guckte sich in der Hütte um.
"Die Schwestern lungerten neben ihr auf dem Bett rum, kratzen Reis aus einem Topf und sahen zu, als sei es Fernsehen."
Das Verstümmeln der Brüste wird auch "Brüstebügeln" genannt – in Kamerun nennen sie es "Brüstemassieren". Durch diese Art der "Massage" erleiden die Töchter neben den körperlichen Spuren aber auch psychische Traumata: "Viele lehnen ihre Brüste und ihren Körper ab", sagt Lisa McMinn.
Sex ist ein Tabuthema
Ob der gewünschte Effekt, dass die Brüste zurückgehen oder langsamer wachsen, eintritt, ist im Übrigen nicht nachgewiesen. Mbuti Vivianhills ist Leiterin der Organisation für Frauenrechte und Aufklärung in Kamerun. Sie sagt: Das Problem ist, dass die Mütter lieber die Brüste ihrer Töchter verstümmeln als mit ihnen über Sex zu sprechen – sie also aufzuklären.
"Ein Kind davon abzuhalten, Brüste zu haben, heißt nicht, dass Männer ihnen nicht dennoch hinterherjagen. Stattdessen musst du ihr beibringen: Dein Körper ist dein Körper und niemand darf dich anfassen."
Lisa McMinn hat versucht, mit den Frauen über Sex zu sprechen: aussichtslos. Sie blicken betroffen zu Boden, oder sprechen von Hexerei – sie seien verzaubert worden, als sie schwanger wurden. Diese Form der Verschlossenheit führt dazu, dass in Kamerun zwei Drittel der Frauen vor dem 19. Lebensjahr schwanger werden. Und das ist das Problem. Nicht alle werden vergewaltigt, viele haben auch einfach freiwilligen Sex und werden schwanger, weil sie nicht wissen, wie sie sich schützen können.
Das Verstümmeln der Brüste ändert daran jedenfalls nichts. Es ist seit zwei Jahren sogar verboten und zählt wie Genitalverstümmlung zu geschlechtsspezifischer Gewalt. Den Müttern drohen damit bis zu fünf Jahre Haft. Aber viele wissen in ihren Dörfern gar nichts davon. Und sie sind sich auch keiner Schuld bewusst – sie "massieren" ja nur.
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