Seit den 1960er Jahren verhandeln die UdSSR und die USA über Abrüstung und Rüstungskontrolle. 1976 fertigt die UdSSR Mittelstreckenraketen. Die NATO stationiert später Marschflugkörper in Deutschland. Dort reagiert die Bevölkerung mit großen Protesten.
Die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR, Sowjetunion) und die USA diskutieren seit Ende der 1960er Jahre über Abrüstung und Rüstungskontrolle. 1968 schließen beide Seiten einen Atomwaffensperrvertrag und verpflichten sich, Atomwaffen abzubauen.
Während hierüber Einigkeit erzielt werden kann, bleiben atomare Kurz- und Mittelstreckenwaffen von diesem Deal ausgenommen. Unabhängig von den Verhandlungen, beginnt die Sowjetunion mit der Entwicklung einer Mittelstreckenrakete, die eine Reichweite von rund 5.500 Kilometern hat. 1976 werden diese SS-20-Raketen fertiggestellt.
Die SS-20-Raketen verändern das Gleichgewicht
Das bleibt westlichen Diensten nicht verborgen. Auch Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) ist in Sorge über ein Ungleichgewicht bei diesen Waffen: Er sieht in den sowjetischen SS-20-Raketen eine Gefährdung für Europa.
Am 28. Oktober 1976 fordert der Kanzler, dass diese Mittelstreckenwaffen in die Abrüstungsverhandlungen einbezogen werden müssen. Schmidt und andere Politiker sind sich unsicher, ob der Bündnispartner USA, bei einem sowjetischen Angriff, wirklich an der Seite Europas in einen Verteidigungskrieg ziehen würde.
Deshalb sollte in einem Verhandlungsprozess mit der UdSSR entweder die Vernichtung von SS-20-Raketen oder eine entsprechende Nachrüstung des Westens erreicht werden.
Doppelstrategie: Vernichtung oder Nachrüstung
Diese Doppelstrategie verbirgt sich hinter dem Begriff NATO-Doppelbeschluss. Es besagt, dass eine Nachrüstung im Westen erfolgt, wenn die UdSSR auf dem Verhandlungswege nicht bereit seien, die SS-20-Raketen zu verschrotten.
Die Verhandlungen bringen nichts: Damit führt der am 12. Dezember 1979 gefasste NATO-Doppelbeschluss knapp drei Jahre später zur Stationierung der Marschflugkörper Pershing II und Cruise Missile in der Bundesrepublik. Die Mehrheit der Bevölkerung ist gegen diese Stationierung, was sich in den größten Demonstrationen der Geschichte der Bundesrepublik niederschlägt.
Ihr hört in Eine Stunde History:
- Der Historiker Philipp Gassert erläutert Inhalt und Zweck des NATO-Doppelbeschlusses vom Dezember 1979.
- Der Historiker Jan Hansen beschreibt die Zerreißprobe, die der Beschluss für die SPD bedeutet hat.
- Der Münchner Historiker Michael Ploetz beleuchtet die Hintergründe, die in der UdSSR hinter der Aufrüstung mit SS-20-Raketen steckten.
- Deutschlandfunk-Nova-Geschichtsexperte Matthias von Hellfeld erklärt die Vorgeschichte des Doppelbeschlusses.
- Deutschlandfunk-Nova-Reporterin Sandra Doedter blickt zurück auf die Demonstrationen gegen den NATO-Doppelbeschluss.