Die Hälfte aller Berufseinsteiger bekommt nur einen Job mit Ablaufdatum. Frauen erwischt es dabei öfter als Männer. Warum regen wir uns nicht auf?
Wer heute neu in seinen Job einsteigt, der bekommt mit rund 50prozentiger Wahrscheinlichkeit zunächst einen befristeten Arbeitsvertrag. Und Zahlen des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) zeigen: In einzelnen Branchen liegt die Befristung bei Neueinstellungen noch viel höher - bei Erziehern beispielsweise bei rund 75 Prozent.
Unsere Reporterin Ann-Kathrin Wetter berichtet, dass das nicht das einzige Problem ist: "Da gibt es seit Jahren einen Gender-Gap", erklärt sie, vor allem in 'klassischen' Frauenberufen, etwa im Gesundheits- oder Sozialsektor. Laut dem IAB liegt der Befristungsanteil bei Neueinstellungen im Durchschnitt der letzten 5 Jahre bei Frauen um rund 10 Prozentpunkte höher als bei Männern.
Generell können Arbeitsverträge laut dem Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge ohne sachgerechten Grund über die so genannte Zeitbefristung befristet werden.
Zukunftspläne schmieden? Schwierig.
Obwohl die befristeten Jobs in den letzten Jahren zugenommen haben, gibt es aber keinen wirklichen Aufstand. Warum? Wolfgang Gründinger von der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen (SRzG) sagt: "Den meisten Menschen auf dem Arbeitsmarkt geht es relativ gut." Trotzdem sind diejenigen, die es betrifft, natürlich meistens unzufrieden. Denn eine Befristung bringt noch ein paar Begleiterscheinungen mit sich: Befristet Beschäftigte verdienen im Durchschnitt weniger als unbefristet Beschäftigte. Und wer keinen festen Job hat, dem fällt es oft schwerer, für die Zukunft zu planen.
Die junge Generation ist benachteiligt
Wolfgang Gründinger sagt, viele junge Leute hangeln sich von einer prekären Beschäftigung zur nächsten. Dass die junge Generation vom Wandel auf dem Arbeitsmarkts stärker betroffen ist, zeige sich in "atypischen Beschäftigungsverhältnissen". Die SRzG fasst dazu in ihrem Positionspapier Arbeitsmarkt eine Studie des DGB zusammen:
- Nur 37 Prozent der Unter-30-Jährigen haben einen unbefristeten Vertrag mit einem Einkommen über €2000 brutto.
- Weitere 13 Prozent haben einen unbefristeten Job mit €1.500 bis €2.000 Bruttogehalt.
- Alle andere müssen entweder mit extrem niedrigen Einkommen unter €1500 brutto auskommen (19%) oder sind befristet beschäftigt (21%), in Leiharbeit (4%) oder in Minijobs (7%).
"Die Einfädelungsphase in den Jobmarkt ist länger geworden, schwieriger geworden."
Bis junge Leute also einen festen, gutbezahlten Job haben, dauert es meist einige Jahre, so Wolfgang Gründinger. Er ist deshalb dafür, dass...
- ... die Befristung ohne sachlichen Grund aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz gestrichen wird.
- ... der hohe Befristungsanteil an Hochschulen und anderen Forschungseinrichtungen im Wissenschaftszeitvertragsgesetz prozentual begrenzt wird.
Wolfgang Gründinger prognostiziert, dass die Unternehmen künftig wieder mehr entfristen müssen, weil sie sonst die gesuchten Fachkräfte nicht halten können. Das betrifft jedoch nicht die einfachen Arbeiter.
- Wenn alles vom nächsten Arbeitsvertrag abhängt | Von Befristung zu Befristung, jeder Arbeitsvertrag ein neues Etappenziel.
- Bessere Arbeitsbedingungen? Nicht wirklich. | Neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeitern haben einen befristeten Vertrag.
- "Erst mal kennenlernen" | Für die Wirtschaft sind Zeitverträge eine schöne Sache - bei Neueinstellungen kann man sich so erst mal risikofrei näherkommen.
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